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Markt Roßtal

Landkreis Fürth

Mittelfranken

Bayern

Deutschland
Markt Roßtal
Marktplatz 1

90574 Roßtal
Deutschland

Nikolaus W. Fischer

Kanoniale Sonnenuhr an der Südseite des Turmes

Kanoniale Sonnenuhr

Die untere von unseren beiden Sonnenuhren ist, wie schon unser unvergessener Alfred Steinheimer immer erwähnte, die weitaus ältere und interessantere.

Sie hat eine von den Römern übernommene Tageszeit-Einteilung in ungleichen Stunden, (horae in-aequales), die Benedikt von Nursia für seine Mönche übernommen hat und die sich schließlich in der ganzen mittelalterlichen Kirche durchsetzte und von den Klöstern in das Fränkische Reich gebracht wurde. „Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang“ (wie wir in dem christlichen Kanon des öfteren singen) wurde der Tag in sieben kanonische Stunden (= horen) eingeteilt (bildlich in der Uhr gesehen: in 7 Segmente), die von 8 Maßstrichen umgeben die 8 Gebetszeiten eines vollen Tages markieren1. Diese haben jedoch mehrmals Veränderungen erfahren und sind einer eigenen Entwicklungsgeschichte verhaftet.

Das Ende der 6. Stunde fällt jedenfalls immer auf den Mittag. (Vgl. dazu die Bibelstellen: Mt. 27,45; Joh. 4,6; Apg. 10,9). Der Tag begann (wie auch bei den heutigen Juden) mit dem Sonnenaufgang etwa um 6.00 Uhr. Jesus starb somit nach unserer heutigen Zeitrechnung nachmittags um 15.00 Uhr – zur neunten Stunde (Mt. 27,46)2. Der jüdische Sabbath ging abends um 18.00 Uhr (unserer Zeiteinteilung) los. Da war es das Interesse der oberen Geistlichkeit, daß bis dahin Jesus aus dem Weg geräumt ist. Darum gestatteten sie wohl dem Ratsherrn Josef so schnell, den Leichnam in sein Felsengrab legen zu dürfen (Lk. 23,34).

Daß früher der Tag bereits mit Sonnenuntergang begann, hat sich z. B. bei uns heute auch noch darin erhalten, daß wir am „Heiligen Abend“ das Weihnachts- bzw. Geburtsfest zu feiern beginnen.

Die Römer hatten also schon eine unterschiedliche Tageszeit-Einteilung zwischen Sommer und Winter, – stets dem „sol invictus“ (dem unbezwingbaren Sonnengott) unterworfen. Das Anwachsen und Schwinden des hellen Tages zwischen 24. Juni und 24. Dezember macht 1 bis 1 1/2 Stunden aus, monatlich etwa 10 Minuten!

Wir dagegen haben heute die astronomische Einteilung des Tages von 0 bis 0 Uhr, – die Helligkeit bzw. der Sonnenstand spielt dabei keine Rolle mehr, haben wir doch die künstliche Beleuchtung zum Arbeiten und zum Fahren auf den Straßen.

Diese alten Sonnen- od. Gebetsstundenuhren wurden in der Mitte des 14. Jahrhunderts bereits verdrängt durch die Zählung eines Tages in gleiche Stunden (horae aequales). Anfangs, als es noch keine Räderuhren gab, haben ja unsere Glocken noch nicht geläutet bzw. sind noch nicht geläutet worden, sondern wurden per Hand mit Hämmern geschlagen. Da konnte man sich dann noch an die Gebetszeiten innerhalb der Jahreszeiten halten. Die Räderuhren konnten aber dann nicht mehr so genau nach dem Sonnenstand oder den damals noch üblichen Gebetszeiten gehen, sondern folgten ausschließlich der Mechanik. (Schon der Beginn eines anderen Umgangs mit der Zeit?)

Die Roßtaler kanoniale Sonnen- u. Gebetszeitenuhr hat verschieden breite Segmente, um den länger oder kürzer werdenden Sonnenstunden Rechnung zu tragen. Solche Uhren sind stets an der Südseite (der Sonnenseite) angebracht worden. Sie sind flach in die Mauern eingeritzt (nicht schräg angebracht wie andere Sonnenuhren) und haben immer einen Stab im 90-Grad-Winkel – er steht also gerade von der Mauer oder dem Gebäude weg.


1„8“ ist die Zahl für die Ewigkeit (die 8 Paradiese Elams, Sems Sohn, I. Mose 10), auch eine Glückszahl.
Siehe auch die 8-eckigen Taufsteine (in die Ewigkeit hineingeborene Glückskinder) oder die oktogonen Kirchen und Kapellen!
Die 8 Gebets-„Stunden“ eines vollen Tages: die Matutin (oder Mette, als frühes Morgengebet), die Laudes (der Lobgesang), die Prim (lat. „Gebet in der 1. Stunde“ um 6.00 Uhr), die Terz (zur 3. Stunde), die Sext (sechste Stunde), die Non (neunte Stunde), die Vesper (die Abendstunde) und die Complet (Nachtgebet nach vollendeter Arbeit). Diese 8 Gebete bzw. Minigottesdienste teilen sich ein in 4 Nacht- und in 4 Tagwachen, die in den kanonischen Gebetszeiten bis heute weiterleben.
Darf die Frage erlaubt sein, ob das nicht ein zusätzliches Indiz dafür ist, daß Roßtal einmal eine Klosterkirche hatte?
2Manche Kirchengemeinden haben das noch nicht begriffen, wenn sie freitags früh um 9.00 Uhr die Glocken läuten lassen und damit die Todesstunde des Herrn meinen.
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