Seit August finden im Vorfeld des Pfarrhauses wieder archäologische Ausgrabungen in Roßtal statt. Anlass war die Erneuerung des Fahrbahnbelages in der Schulstraße mit einem Oberflächenabtrag von bis zu 0,6 m.
Nachdem die alte Asphaltdecke damals direkt auf dem Unterboden ausgebracht worden war, musste mit archäologischen Befunden im Bereich der Schulstraße gerechnet werden. Deshalb setzte der Markt Roßtal das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege über die Baumaßnahme in Kenntnis, das die archäologische Sondierung des Bauabschnittes in die Wege leitete.
Diese, wie auch die anschließenden Grabungen wurden vom Autor dieses Artikels vorgenommen. Er konnte die während der Baggerarbeiten freigelegten Befunde sichern und dokumentieren. Was kam hierbei zu Tage?
Im Bereich der Schulstraße, kurz vor der Einmündung der Felsenstraße, wurde ein weiteres Stück der alten Befestigungsmauer freigelegt. Sie stammt im älteren Teil aus dem 8. Jahrhundert, im jüngeren aus dem 10. Jahrhundert. Bemerkenswerterweise befindet sie sich an der Stelle, an der man bislang die Toranlage der Befestigung vermutet hatte. Das bedeutet wiederum, dass das Tor an anderer Stelle gelegen haben muss. Wahrscheinlich befand es sich im Bereich des Anwesens Schulstraße 24.
Darüber hinaus traten die Reste einiger Ofenanlagen zu Tage. Über deren Funktion läßt sich derzeit noch wenig sagen. Wahrscheinlich dienten sie der Keramikproduktion oder Metallverarbeitung.
Neben den Spuren verschiedener Pfostengruben und weiterer Mauerreste gelang direkt vor dem Pfarrhaus ein sensationeller Fund. In seinem Fundamentbereich konnten ein vollständiges Säuglingsskelett sowie die Reste zweier zusätzlicher Säuglingsskelette freigelegt und geborgen werden. Sie lagen direkt an die Pfarrhausmauer angelegt im Boden.
Bei diesem zunächst merkwürdig anmutenden Befund handelt es sich mit einiger Sicherheit um die Bestattung ungetaufter Säuglinge. Diese durften nicht auf dem Friedhof bestattet werden. Damit sie dennoch möglichst nah an den sakralen Bezirk und die Gemeinschaft der Getauften heranrücken konnten, bestattete man sie vor den Mauern des Pfarrhauses unter der Dachtraufe. Es handelt sich hier um einen Akt der Menschlichkeit, auch wenn es für den heutigen Betrachter zunächst anders aussehen mag.
Dieser historisch mehrfach bezeugte Vorgang ist nun in Roßtal archäologisch belegt. Vergleichbare Befunde sind äußerst selten. Gleichzeitig erweitert er das Roßtaler Fundspektrum, das sich in der Regel aus Objekten des 8.–10. Jahrhunderts zusammensetzt, bis in das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit.
Quelle: Kirchliche Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Pfarrei Roßtal, Nov. 2003, S. 15