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Bau der Winkelbrücke 1874 |
Als das Streckennetz der Königlich-Bayerischen Staatseisenbahn mit dem Netz der Königlich-Württembergischen Staatseisenbahn von Nürnberg über Crailsheim verbunden werden sollte, ergaben sich für die Linienführung des Teiles Nürnberg–Ansbach erhebliche Schwierigkeiten. Die Meinungsverschiedenheiten zogen sich über ein Jahrzehnt hin.
1862 hatte sich ein gemeinsames Eisenbahnkomitee der Städte Nürnberg-Fürth-Ansbach gebildet, das eine Linienführung von Nürnberg über Fürth und Zirndorf durch das Biberttal nach Ansbach begutachtete. Ein diesbezüglicher Vorschlag wurde dem bayerischen Handelsministerium unterbreitet. Doch auch Schwabach schaltete sich ein und unterstützte in einem Gesuch vom 21.4.1869 einen Windsbacher Plan, der folgende Linienführung vorsah: Ansbach–Lichtenau–Neuendettelsau–Windsbach–Schwabach–Nürnberg. Als dieser Plan nicht angenommen wurde, schlug das Schwabacher Eisenbahngremium aus Vertretern des Stadtmagistrats und des Bezirksamtes vor, die Ost-West-Linie Ludwigshafen–Regensburg–Wien von Ansbach über Heilsbronn durch das Schwabachtal (Rohr) nach Schwabach und von dort über Wendelstein nach Feucht zur Regensburger Linie zu führen. Der Umweg über Nürnberg sollte dadurch erspart werden. Roßtal wäre bei den erwähnten Planungen von der Eisenbahn nicht berührt worden.
Es gab aber auch andere Pläne. Am 29. Juni 1871 schreibt der Magistrat der Stadt Fürth an das Bezirksamt. „Bekanntlich wird die Projektierung und Erbauung der Nürnberg-Ansbacher Bahn in nächster Zeit in Angriff genommen. Bezüglich der Richtung, welche der Bahn gegeben werden soll, ist es Herrn Minister von Schlörs versprochener Wille, daß die Bahn über Fürth geleitet wird. Doch machen sich in neuester Zeit Bestrebungen geltend, welche dahin abzielen, die höchste Stelle von dem Willen, die Bahn über Fürth zu leiten, abzubringen und eine Führung der Bahn über den unbedeutenden Fabrikort Stein zu erlangen. Es dürfte jedoch auch im Interesse des Bezirksamts liegen, daß eine kürzere Verbindung zwischen dem Bezirksamtssprengel und der Kreishauptstadt Ansbach erzielt wird, ohne den Umweg über Nürnberg zu nehmen. Außerdem könnte der Fürther Bahnhof gleichzeitig als Umschlagplatz für Güter dienen, die von Würzburg kommen und in die Ansbacher Richtung gehen.“
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Bau der Wegbrücke 1893/94 |
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Bau der Wegbrücke 1893/94 |
Das Bezirksamt Fürth setzte sich nun mit dem Zirndorfer Eisenbahnvertrauensmann Paul Narr in Verbindung und legte ihm nahe, sich um eine Aktivierung für diese Sache auf dem Lande zu bemühen. Am 28.7.1871 fand daraufhin in Zirndorf eine Versammlung der Gemeinden statt, die an einer Streckenführung durch das Biberttal interessiert waren. Die Gemeinden Ammerndorf, Bronnamberg, Dambach, Großhabersdorf und Zirndorf schlössen sich zusammen und wählten einen bevollmächtigten Interessenvertreter. Die Gemeinden Roßtal, Buchschwabach und Weitersdorf lehnten das Projekt ab. Die Fürther Presse war besonders bestrebt, die Interessen der Stadt Fürth zu wahren. So finden wir in der Ausgabe der Fürther Neuesten Nachrichten vom 14.10.1871 zwei verschiedene Artikel, die sich mit unserer Eisenbahnsache beschäftigen. Auf der Vorderseite der Zeitung ist ein optimistischer Artikel aus der Augsburger Abendzeitung abgedruckt, in dem u. a. berichtet wird: „Dem Vernehmen nach soll die Führung dieser Bahn über Fürth von höchster Stelle genehmigt sein. Dadurch wird eine Brücke über die Rednitz erspart und durch die Weiterführung der Bahn nach Klosterheilsbronn und Ansbach berührt der Bahnkörper die größten Bausandsteinbrüche Deutschlands, welche zwischen Zirndorf und Burgfarrnbach hindurch in Egersdorf, Wachendorf und Cadolzburg in ungeheuren Mengen lagern. Der Bahnkörper würde den großen Bergrücken, der zwischen Burgfarrnbach und Kirchfarrnbach liegt, durchschneiden und dadurch das schönste Baumaterial der Welt in den Weltverkehr bringen. Hier liegen im Schoße der Erde Millionen vergraben, und ein Wort von höchster kompetenter Stelle würde genügen, um diese Schätze der Erde zu heben und in den Weltverkehr bringen zu können. Aus diesem Bergrücken lassen sich Steinwürfel in allen Dimensionen herstellen, daher auch schon zum Festungsbau nach Ingolstadt und zum Bahnbau Neumarkt–Regensburg Steinwürfel aus den Egersdorfer Steinbrüchen, teilweise per Achse hingeschafft wurden…“
Die Augsburger Zeitung wollte den Fürthern und Zirndorfern „Schützenhilfe“ bei ihrem Problem um die Linienführung der Bahnstrecke geben, aber die Geographie ist dem fremden Verfasser schon arg durcheinander gekommen. Wie man von Burgfarrnbach und Kirchfarrnbach, Wachendorf und Egersdorf nach Heilsbronn eine Bahnlinie führen könnte, wäre wohl beinahe heute noch ein Kunststück.
Eine realistischere Bilanz zieht der zweite Artikel im gleichen Blatt, der über die Fürther Magistratssitzung vom 13.10.1871 ausführlich berichtet. Auf der Tagesordnung stand als einziger Punkt die Eisenbahnangelegenheit. Der Fürther Vertreter im Nürnberg-Fürther Eisenbahnkomitee, Rechtsrat Langhans, schildert das Problem ausführlich in chronologischer Reihenfolge. Die Zusammenarbeit zwischen den Städtevertretern verlief zuerst reibungslos, und von 1863 bis 1870 stand die Sache für Fürth günstig. Von Juli 1870 bis Mai 1871 hatte das Projekt geruht (Deutsch-Französischer Krieg), dann aber seien in der Presse plötzlich Gerüchte aufgetaucht, daß die Angelegenheit für Fürth weniger günstig liege. Die Nürnberger Komiteemitglieder sprachen von Schwierigkeiten, die bei ihren Interessenfragen auftraten. Der Sitzung 1871 habe Herr von Faber in sonderbarer Weise als Ehrenbürger der Stadt Nürnberg beigewohnt, der sich bemühte, die Nürnberger zur Führung der Bahn über Stein zu gewinnen ... Die Nürnberger ließen sich von Herrn von Faber überzeugen. „Aus dem verkappten Gegner ist ein offener geworden.“ Das Nürnberg-Fürther Eisenbahnkomitee war nun zerbrochen. Fürth müsse sich nochmals an die Abgeordnetenkammer wenden und die kleinen Orte der Umgebung zur Mitarbeit gewinnen, schlägt der erbitterte Fürther Vertreter vor.
Inzwischen hatte man die Biberttalpläne etwas bescheidener gefasst. Roßtal wäre nun nicht mehr ausgeschlossen worden, sondern die Linie sollte von Nürnberg über Fürth–Altenberg–Oberasbach–Roßtal nach Heilsbronn verlaufen. Am Montag, dem 18.12., fand im Hofmannschen Gasthaus in Zirndorf wiederum eine Versammlung statt, in der eine Denkschrift an die Abgeordnetenkammer beschlossen wurde, die am 20.1.1872 erschien. Am 12.11.1871 war das Bezirksamt Fürth von der Generaldirektion der Königlich-Bayerischen Verkehrsanstalten davon unterrichtet worden, daß demnächst die Projektierungsarbeiten für eine Eisenbahn von Nürnberg über Stein, Roßtal, Heilsbronn nach Ansbach und einer Alternative über Fürth nach Roßtal beginnen sollten. Das königliche Bezirksamt wurde zum Zwecke des polizeilichen Schutzes der einschlägigen Arbeiten und Vorrichtungen in Kenntnis gesetzt.
Die Fürther Bürgerschaftsvertreter versuchten noch in letzter Minute, ihre Pläne für eine Linienführung über Fürth durchzusetzen. Vor der Kammer der Abgeordneten in München bemühte sich Professor Dr. Marquardsen nochmals, die Pläne der direkten Streckenführung über Stein zu durchkreuzen. In seiner Rede führte er u. a. aus, daß er nicht ein „vereinzeltes Kirchturminteresse“ vertreten wolle, sondern die „wohlberechtigten Ansprüche ganzer Landschaften“. Wenn die Gegnerschaft hier von einem „Kirchturmrennen“ spricht, so entgegnete er, daß man die „Eisenbahnzüge nicht wie die Krähen fliegen lassen könne, über Stock und Stein, wobei ich durchaus nicht an die berühmte Bleistiftfabrik des Herrn von Faber denke. Meine Herren, man baut Eisenbahnen für die Menschen und ihre Bedürfnisse und nicht nach dem System des Krähenfluges.“ Doch auch Professor Marquardsens Einsatz konnte den Fürthern die Bahn nicht bringen, da die Landvermesser feststellten, daß die Steigung der direkten Linie über Stein bei 1:150 liegt, während sich über Fürth Steigungen von 1:113 ergeben, die für den Bahnbetrieb der damaligen Zeit technisch nicht zu bewältigen waren.
Als die Planungsarbeiten für die Streckenführung der Eisenbahn abgeschlossen waren, wurde am 3. Juni 1872 die Marktgemeinde Roßtal über den baldigen Beginn der Erdarbeiten in Kenntnis gesetzt und mit ihr wegen der Errichtung von Marketendereien für die Bautruppe in Verbindung getreten. Zunächst war auch an ein Kasernierungssystem der Bauarbeiter gedacht worden, doch war man davon abgekommen, da sich viele Einheimische an den Bauarbeiten beteiligten. In den Amtsblättern für die Gerichts- und Verwaltungsbezirke Fürth und Heilsbronn Nr. 49/1872 erschien die Verordnung »Grundzüge über die Verpflegung und Beherbergung der Arbeiter zum Betrieb der Bauten auf den kgl. bayerischen Eisenbahnen«. Bürgermeister Nüchterlein unterrichtete am 24.6.1872 die Gemeinde davon, daß „in einer Entfernung von 1/2 Stunde“ (ca. 2 Kilometer) rechts und links der Bahnlinie ungefähr 200 bis 300 Eisenbahnarbeiter untergebracht werden sollen. Schwierig war die Unterbringung in kleineren rein landwirtschaftlichen Orten. So meldete Bürgermeister Gastner von der Gemeinde Weitersdorf, daß in Trettendorf eine Unterbringung von Arbeitern nicht möglich sei, da dort kein Gasthaus vorhanden war und „privaterweis“ dies nicht zugemutet werden kann, denn „während die Landleute bis 8 Uhr abends außer Haus auf den Feldern beschäftigt sind, haben die Bahnarbeiter schon um 6 Uhr Feierabend“.
Um die Konzession für eine Marketenderei bewarben sich die Interessenten Peter Koerck aus Fuchsberg und Leonhard Hochdrucker aus Schwabach. Letzterer erhielt vorerst die Bewilligung, auf einem Platz im Wald Pl.-Nr. 473 an der Flurgrenze Roßtal/Clarsbach eine Kantine zu errichten. Am großen Einschnitt im Block sollten dann im nächsten Jahr neben der „Hauptmarketenderei“ noch zwei „Nebenmarketendereien“ aufgestellt werden. Im Jahr 1872 wurden im Block die Arbeiten mit 50 Mann begonnen. Der eigentliche Großeinsatz erfolgte an dieser Stelle im Frühjahr 1873 mit über 100 Arbeitern.
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Bau der Wegbrücke 1893/94 |
1873 bis 1875: 1 km vom Ortszentrum entfernt entstanden die Bahnhofsgebäude. Die Bahnhofswirtschaft wurde gegenüber erbaut |
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Bahnhofsgebäude ROSSSTALL
Der „vielbuchstabige“ Name erregte den Unmut von Lesern des »Fränkischen Kuriers«. In der Ausgabe vom 12. 8. 1912 schrieben sie von einem „scheußlichen Wortungeheuer“ und einem „massakrierten“ Ortsnamen. Diese Zuschrift gab den Anlaß zur Änderung in »Roßtal«, wobei man sich auf die Überlieferung Widukinds (Horsadal) stützte. |
Stellwerk |
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Quelle: Kreutzer, Hans, Roßtal – Vergangenheit und Gegenwart, S. 183 ff.