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Staatswappen des Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich in der Kirche zu Roßtal

Staatswappen des Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich in der Kirche zu Roßtal
Landeskirchliches Archiv Nürnberg
Bild: G. Köstler

Alfred Steinheimer

Unruhige Zeiten – Das Jahr 1848 im Spiegel amtlicher Mitteilungen in Franken

Im Heimatbuch von Roßtal: „Roßtal – Vergangenheit und Gegenwart“ herausgegeben von Hans Kreutzer und Robert Düthorn, sind die Jahre um 1848 kurz angesprochen und eine Denkschrift der Marktgemeinde vom 6. April 1848 an die Regierung von Mittelfranken im Wortlaut wiedergegeben. (1) Des weiteren hat Pfarrer Dieter Koerber im Heft 23/1991 der „Roßtaler Heimatblätter“ einige Gedanken zum Gedicht eines Roßtaler Poeten aus dieser Zeit veröffentlicht. Im Nachtrag dazu und abschließend sollen die nachstehenden Zeilen anhand amtlicher Mitteilungen sowie königlicher und bezirklicher Verordnungen einen Eindruck über diesen unruhigen Zeitabschnitt hier in unserer Heimat vermitteln.

Schon in den Jahren um 1830 gab es in Deutschland wiederholt Erhebungen und Demonstrationen, meist ausgehend von der akademischen Jugend und Professoren, die die Einführung einer Verfassung, die Schaffung eines Parlaments und die Freiheit der Presse zum Ziele hatten. Die Einforderung dieser Grundrechte brachte nicht wenigen aus dem genannten Kreis Freiheitsstrafen und so wurde z. B. im Jahre 1836 der einer liberalen Richtung angehörende Würzburger Bügermeister, Professor für Staatsrecht und Landtagsabgeordneter Wilhelm Behr, der in der bayerischen Kammer für die unbeschränkte Volkssouveränität kämpfte, wegen „versuchten Hochverrats“ fünf Jahre lang auf der Festung Oberhaus bei Passau inhaftiert. (2)

Immer weitere Volkskreise wurden von diesen freiheitlichen Ideen erfaßt, wobei, so scheint es, gewisse Einflüsse auf eine organisierte Bewegung schließen lassen könnten.

So warnt das Landgericht Cadolzburg mit einem Schreiben vom 12. August 1847 vor einem „hochverätherischen Brief“, der einen Revolutionsaufruf beinhalte, in New York (!) gedruckt und von einem L. Richter, Bierbrauer von Beruf, unterzeichnet war. Das Cadolzburger Gerichts schreiben an die Gemeinde Roßtal schildert, daß der Aufruf die „Vernichtung bestehender Verhältnisse“ fordert und „... schändliche Schmähungen gegen die geheiligten Souveräne von Preußen, Bayern, Hannover, Baden und Hessen“ ausspricht. Am 8. Mai 1848 wird in einer neuen Warnung die Beschreibung eines Handwerksburschen mit „blauem Hemd und starkem Barte“ den Gemeinden mitgeteilt, der die erwähnte Flugschrift für die Einführung einer Republik verbreitete. (Q 1)

Den Höhepunkt der Unzufriedenheit besonders in München, aber auch in den fränkischen Städten und Dörfern brachten die ersten Monate des Jahres 1848.

Ausgehend von den Pariser Februarunruhen, deren Grundideen sich über die schon bestehenden Eisenbahnverbindungen sehr schnell auch in Deutschland, in Baden zuerst verbreiteten, formulierte am 27. Februar 1848 in Mannheim eine „Volksversammlung“ die Reihe der schon bekannten Forderungen an die Herrschenden der deutschen Bundesländer. Protestaktionen gab es auch in Nürnberg und die Stadt wies in einem Schreiben an den König auf die Bewilligung der in Mannheim geforderten Rechte hin. (2.1)

Im Rückblick waren es die politischen Verhältnisse nicht allein die zur Unzufriedenheit der Bevölkerung führten. Mißernten in den Jahren 1846 und 1847 verteuerten das Brotgetreide und eine europaweit auftretende Krankheit der Kartoffelpflanze, die beispielsweise in Irland zu einer Hungerkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes führte, brachten auch hier weite Kreise der Bevölkerung in große Not. Wegen der Teuerung der Lebensmittel erließ im November 1845 die bayerische Regierung ein Dekret, wonach bayerisches Getreide nur auf inländischen Schrannen verkauft werden durfte, andernfalls eine Beschlagnahme erfolgte. Da für die Einfuhr von Getreide die finanziellen Mitteln fehlten, die Mißernten sich zudem nicht örtlich beschränkt auf Bayern auswirkten, versuchte die Regierung mit Hinweisen, wie nachstehend, den Brotkonsum einzuschränken.

Der bayerische König Ludwig I. gab seinen Untertanen noch einen weiteren Grund, empört zu sein: Seit Oktober 1846 war die spanische Tänzerin Lola Montez in München, intelligent und als Schönheit gerühmt, zur Mätresse des sechzigjährigen Monarchen aufgestiegen. Sie sollte von ihm, gegen den Willen der Mehrheit der Regierung, in den Adelsstand erhoben werden. Da hierfür die durch Geburt erworbene bayerische Staatsbürgerschaft Voraussetzung war, was in ihrem Falle ja nicht zutraf und von der Mehrheit der Minister nicht nachträglich in irgendeiner Form sanktioniert wurde, setzte Ludwig die Regierung kurzerhand ab. Der willfährige neuernannte Justizminister von Maurer unterzeichnete sofort das "Indigenatsdekret" und der König erhob die Tänzerin, die vor ihrer Münchener Zeit im Jahr 1842 in Dresden als angebliche „carlistische Generalstochter erst bei Hofe auftrat und später als Abenteuerin erkannt“ nur noch in Gesellschaft einiger kühner Herren, darunter der junge Architekt Gottfried Semper gesehen wurde, zur Gräfin von Landsfeld. (3)

Es kam im März 1848 zu Aufständen gegen die das Militär eingesetzt wurde. Unter dem massiven, mit Waffengewalt ausgeübten Druck der Bevölkerung erließ am 6. März 1848 König Ludwig I. eine Proklamation, in welcher er die Erfüllung der schon mehrmals genannten Forderungen und darüberhinaus die Verbesserung der Lebensverhältnisse der israelitischen Bürger in Aussicht stellte.

Angesichts der Geschehnisse wirkt eine Maßnahme des Landgerichts Cadolzburg, die am 25. März 1848 auch der Gemeinde Roßtal bekanntgegeben wird, recht hilflos; es sollen zur „Beruhigung der Unterthanen“ die Forstbehörden Brennholz zu geminderten Preisen an die Minderbemittelten abgeben, ebenso soll den Bauern die Streunutzung besonders auch im Sommer gestattet werden. (Q 1)

In Franken war der revolutionäre Geist jedoch schon zu tief eingedrungen. Es gab Aufstände der Bauern gegen die Grandherrschaften und gegen die Feudallasten. In Kronach und Unterlengenfeld kam es zu Plünderungen jüdischer Geschäfte. (2.2)

In München fahndeten die aufgewiegelten Massen nach der durch ihr herausfordendes Wesen verhaßten Mätresse des Königs und die Beruhigung trat dort erst ein als Ludwig I. der „Gräfin von Landsfeld“ das Heimatrecht in Bayern absprach und sie darüber hinaus noch steckbrieflich verfolgen ließ.

Es darf als sicher angenommen werden, daß sie mit der Duldung des Königs das Land heimlich verlassen konnte. Lola Montez starb im Jahre 1861 in ärmsten Verhältnissen in New York. (2.3)

Ungeachtet der Versprechungen des Königs kehrte die Ruhe im Lande nicht ein, so daß die Regierung von Mittelfranken im Namen seiner Majestät des Königs in einem Aufruf an die Bevölkerung appellierte Vernunft und Sicherheit zu bewahren.

Wie wenig sich das einfache Volk etwas unter dem Begriff „Pressefreiheit“ vorstellen konnte, zeigt die Veröffentlichung der Ansbacher Regierung vom 20. März 1848. Die Anweisung an die Polizeibehörden und Pfarrämter läßt erkennen, daß die Bevölkerung auf dem Lande andere Sorgen hatte als die Träger dieser Erhebung von 1848.

Die allgemeine Verunsicherung, in Mittelfranken anscheinend ausgeprägt, ließ die Gerüchte entstehen, wonach bewaffnete Banden aus Frankreich in Baden und Württemberg eingefallen wären.

Unter dem Druck der Ereignisse entsagte schließlich Ludwig I. am 20. März 1848 der Krone zugunsten seines Sohnes Maximilian.

In dieser Zeit verfaßten auch die Roßtaler Bürger am 6. April 1848 ein Schreiben an die Regierung von Mittelfranken.

Wie schon erwähnt, waren auch den Roßtalern die Forderungen, die in der Mannheimer Resolution ausgesprochen wurden, nicht erwähnenswert; sie als Landwirte und Handwerker drückte der Schuh woanders. In ihrem Schreiben forderten sie eine Beschränkung der indirekten Steuern, die Abschaffung willkürlich festgesetzter Taxen bei der Übernahme adliger Lehen, die es hier noch gab; ihr Zorn richtete sich gegen das anmaßende Wesen der Forstbediensteten und der Gerichtsbehörden, gegen die Gebühren der Tierärzte, die amtlicherseits über Hunde und Vieh zu wachen hatten und gegen die Belastung von Einzelnen beim Straßenbau.

Die im o. g. Schreiben geschilderten Mißstände und die Forderungen nach deren Abschaffung sind, so scheint es von der Gewandtheit des Ausdrucks her gesehen, wohl nicht allein von den Unterzeichneten formuliert worden.

Es dürfte hier vielleicht der Lehrer oder der Pfarrer, beide kannten ja die Zustände am Ort, dahinter vermutet werden.

Das Schreiben enthält auch einige finanzielle Hinweise, die aufgrund von Rechnungsbüchern der Marktgemeinde aus diesen Jahren zum Vergleich reizen. So wird die Höhe der „Hundevisitationssteuer“ für ein Tier mit 36 Kreuzern genannt und vermerkt, daß 6 Kreuzer eine hinreichende Vergütung darstellen würden; besonders wohl deshalb, weil diese Visitation der Tierärzte „im Fluge geschehe“ und so mancher Tierarzt 8–9 Gulden am Tag verdiene. Zum Vergleich dazu einige Zahlen aus den Rechnungsbüchern: Die gesamten Einnahmen der Gemeinde Roßtal im Jahre 1848 schlossen mit einem Betrag von 511 Gulden ab und die jährliche Besoldung des Ortsvorstandes betrug 47 Gulden. (Q 2) Für zwei „expresse“ Gänge des Gemeindedieners zum königlichen Landgericht nach Cadolzburg wurden ihm 48 Kreuzer bezahlt und ein Pfund Ochsenfleisch kostete damals in Roßtal 9 Kreuzer. (Der Münzeinheit ein Gulden entsprachen 60 Kreuzer).

Der Bauer und Poet Georg Stengel, Mitglied der Gemeindeverwaltung Roßtal im Jahre 1848, hat, wie Pfarrer Dieter Koerber im Heft 23/1991 der „Roßtaler Heimatblätter“ schon zum Abdruck brachte, das Gedicht „Allgemeine Bitten“ veröffentlicht. In weiteren Gedichten wie „Bauer und Edelmann“, „Bauer und Revierförster“, „Bauer und die Jagd“ führt er Klage über die Zustände seiner Zeit, wobei ohne Detailkenntnisse der Sinn einiger Verse dunkel bleibt.

Wie Pfarrer Koerber ermitteln konnte, wanderte Georg Stengel mit seiner Familie im Jahre 1851 nach Nordamerika aus. Vielleicht war es der Ort Frankenmuth in Michigan, den er zum Ziele hatte, wie die meisten Roßtaler Auswanderer und vielleicht könnte von dort etwas über seinen weiteren Lebensweg und den seiner Familie in Erfahrung gebracht werden.

Mit diesem Hinweis auf die Auswanderung ist eine weitere Zeiterscheinung dieser unruhigen Jahre angesprochen. Im schon genannten Roßtaler Heimatbuch, Kap. 47, S. 169 wird aus dem „Geschichtsbüchlein“ des Pfarrers Jordan von 1847 zitiert. Ein Abschnitt davon behandelt die Auswanderung von Roßtaler Bürgern nach Nordamerika seit dem Jahre 1845. Als Zeitgenosse hatte der Pfarrer ja Kenntnis von den Beweggründen und führt sie in seiner Beschreibung auch an. Über die, die aus religiösen Gründen sich dieser Auswanderungsbewegung angeschlossen haben, soll hier nicht gesprochen werden, wohl aber von denen, wie Pfarrer Jordan schreibt: „... manche treibt die eigene Noth“.

In Bayern wurde erst am 1. September 1868 ein neues Gemeindeedikt erlassen, das eine Erleichterung für den Erwerb des Heimatrechtes, das Recht auf Verehelichung sowie auf Ansässigmachung brachte. Bis zu diesem Zeitpunkt mußte ein heiratswilliges Paar, selbst wenn beide Partner aus der gleichen Ortschaft stammten, einen Antrag im obengenannten Sinne der Gemeindeverwaltung vorlegen. Wie aus Protokollen (Q 3) von 1841 ersichtlich ist, ließ der Gemeindevorsteher die abstimmungsberechtigten Bürger der Gemeinde vorladen und diese mußten mit Unterschrift darüber abstimmen, ob sie für oder gegen die Verehelichung und Ansässigmachung des antragstellenden Paares sind.

Noch im November 1864 wird der Antrag eines „Fabrikarbeiters“ auf Verehelichung mit einer Dienstmagd, beide offenbar ohne Vermögen, genehmigt und der „Gemeindeausschuß“ beschließt: „Da gute Zeugnisse vorliegen und der Verdienst der Fabrikarbeiter immer in hohem Grade steht daher die Ansässigmachung und Verehelichung zu erteilen“.

Aus einigen Protokolleinträgen ist der Grund für die namentliche Abstimmung noch angeführt: Da die Gemeinde über die Mittel- und Erwerbslosen die Armenpflegschaft übernehmen mußte, was zu einer finanziellen Belastung der Ortsbürger führte, mußte der ehewillige Antragsteller seinen „gesicherten Nahrungsstand“ nachweisen.

So ist es nicht verwunderlich, daß, wie aus einer Liste der aus der Pfarrei Roßtal in den Jahren von 1845–1861 ausgewanderten 112 Personen ersichtlich, ein hoher Prozentsatz der Männer und Frauen ledig sind, die dann zum Teil schon vor bzw. während der Überfahrt, also außerhalb des Königreiches Bayern heirateten.

Die Auswanderungswelle ließ auch die Obrigkeit nachdenken, waren es doch ausschließlich junge Kräfte, die die Heimat verließen. So schreibt das Landgericht Cadolzburg am 10. März 1847 an die Gemeinden: (Q 1)

Der Webermeister Bitting aus Unterfeldbrecht, Landkreis Markt Erlbach, welcher vor kurzem aus Amerika zurückkehrte, soll im Begriff stehen eine Auswanderungsgesellschaft zu bilden und hat sich bereits mehrere Verleitungen von Unterthanen zu schulden kommen lassen, weshalb gegen denselben eine Untersuchung eingeleitet ist. Sämtliche Gemeindeverwaltungen werden hiermit dem Auftrage in Kenntnis gesetzt, gegen derlei Umtriebe sorgfältig zu wachen und bei allenfalsigen Wahrnehmungen sofort Anzeige hierher zu erstatten“.

Am 13. März 1848 macht die gleiche Behörde die Gemeinden darauf aufmerksam, daß: „... jeder, der ohne obrigkeitlicher Erlaubnis auswandert, verliert das Staatsbürgerrecht bei uns, den Besitz oder Genuß seines Vermögens welches ihm gehört oder noch erblich zufallen könnte, wenn der Ausgewanderte seine Militärpflicht noch nicht erfüllt hat, so wird auf seine Kosten ein Ersatz gestellt.

Die Zahl von 112 ausgewanderten Roßtalern nach Nordamerika gewinnt erst an Bedeutung, wenn man sie mit den damaligen Einwohnerzahlen vergleicht. Roßtal hatte in den Jahren 1840–1867 eine durchschnittliche Zahl von 953 Einwohnern und die Orte Roßtal, Weitersdorf, Buchschwabach und Weinzierlein zählten zusammen 2.237 Bewohner.

In den Bekanntmachungen des Königlich-Bayerischen Intelligenz-Blattes für Mittelfranken aus dem Jahre 1848 wird immer wieder auf die „bedrängte Lage“ deutscher Auswanderer in Le Havre aufmerksam gemacht, die dort zum Teil mittel- und arbeitslos den Behörden zur Last fielen und wochen- und monatelang auf eine günstige Gelegenheit zur Überfahrt warteten.

Außerdem findet man in den amtlichen Mitteilungen den Hinweis auf autorisierte Schiffsagenturen, meist waren es Kaufleute, wie in Nürnberg, bei denen Buchungen für die Überfahrt vorgenommen werden konnten. (Die Roßtaler Auswanderer gingen in Bremen an Bord).

Aus der geringer werdenden Zahl der amtlichen Mitteilungen, die das Märzgeschehen betreffen, nach dem Regierungsantritt Maximilians II., könnte geschlossen werden, daß sich die Gemüter nach dem Thronverzicht Ludwig I. schnell beruhigten. Dies war aber nicht der Fall, obwohl der junge König in geschickter Weise versuchte, mit verschiedenen Erlassen Sympathien zu erwerben und die politische Lage zu entspannen.

So wurde am 30. März 1848 ein Erlaß verkündet „Die Begnadigung der wegen politischer Verbrechen oder Vergehen abgeurteilter Personen betreffend“ und am 7. Juni 1848 folgte die Erteilung eines „Generalpardons für die Deserteure der Armee und die widerspenstigen Conskripierten“ (Wehrpfl.).

Da die Übergriffe offenbar auch hier in Mittelfranken nicht nachließen, sah sich die königliche Regierung in Ansbach genötigt, am 19. Mai 1848 einen Erlaß an alle Distrikts- und Polizeibehörden zu veröffentlichen wegen der Angriffe auf Staatswaldungen und gegen das Forstpersonal.

Den Gemeindeverwaltungen wird darin angedroht, daß in solchen Fällen bewaffnete Militäreinheiten einquartiert werden, deren Kosten, sie werden „Taggebühren“ genannt, von der Gemeinde getragen werden müssen. Aus den aufgeführten „Taggebühren“ ist das militärische Besoldungsgefüge der damaligen Zeit ersichtlich: So hat der Major einen Tagessatz von 7 Gulden, was 240 Kreuzern entspricht, während „Gefreite, Gemeine und Tamboure“ sich mit dem 28. Teil, nämlich mit 15 Kreuzern begnügen müssen; Unteroffiziere beziehen 30 Kreuzer und der Feldwebel 72 Kreuzer. (Zum Vergleich: Arbeiter in einer Fabrik etwa 3–4 Kreuzer, der eines Taglöhners etwa 2 Kreuzer und der Preis für ein Pfund Brot war mit 3 Kreuzern anzusetzen, für ein Pfund Rindfleisch sind Preise um 9 Kreuzer bekannt). (4)

Im schon mehrfach zitierten Heimatbuch von Roßtal, S. 170 ist vermerkt, daß die aufmuckenden Roßtaler im Jahre 1848 eine militärische „Einquartierung“ hinnehmen mußten. Überraschenderweise erscheint allerdings im Buch über die Einnahmen und Ausgaben der Marktgemeinde für das Jahr 1848 kein Betrag für die Unterhaltung der „Reiterabteilung“.

König Maximilian II. erreichte, daß nur wenige Monate nach seiner Thronbesteigung fast alle Reformen, nach denen seit 30 Jahren vergebens gerufen wurde, nun zur gesetzlichen Absicherung kamen. Eingeschüchtert durch die Revolution stimmten auch die adeligen Abgeordneten für die Aufhebung der adeligen Gerichtsbarkeit und des Jagdrechts sowie für die Ablösung der Grundlasten. (2.4)

So geschah es z. B. auch in Defersdorf. Die Grundlasten konnten entweder durch eine Barzahlung gelöscht werden oder wurden als Hypothek mit einer Verzinsung eingetragen. Die niedere Gerichtsbarkeit, ausgeübt durch den Defersdorfer Besitzer, dem Edlen von Sertz, wurde aufgehoben und diese Aufgaben übernahmen die staatlichen Gerichte. Damit waren die Bayern freie Grundeigentümer. (5)

Im Sommer 1849 machte, nachdem die innere Ruhe wieder eingekehrt war, Maximilian II. in Begleitung seiner Frau eine Rundreise durch Bayern, die in Franken begann. Hier deshalb, weil ein Gefühl zum Königshaus noch nicht in dem Maße bestand wie in den altbayerischen Gebieten des Königreiches. Der Berichterstatter damals schrieb: „In der demokratischen Stadt Nürnberg wurde der König mit zurückhaltender Kälte“ empfangen und von der gesamten Bürgerlandwehr waren wohl die Offiziere aber nur 30 Mann zur Huldigung ausgerückt. Der Schreiber des Berichts fährt fort: „Die Stimmung hob sich jedoch innerhalb weniger Tage als die Nürnberger sich von dem freundlichen und edelen Charakter des Königs während seines mehrtägigen Aufenthaltes überzeugten“. (2.5)

Unter Maximilian II. erlebten in den folgenden Jahren auch die fränkischen Landesteile des Königreiches eine Förderung von Kunst und Wissenschaft sowie einen Aufschwung der Industrie und Technik.

Der Bauer Georg Stengel, der schon genannte Roßtaler Poet aus jener Zeit, hat trotz der Mißstände, die er in seinem „Zeitgedicht“ im Jahre 1849 veröffentlichte, auch erkannt, wie weit Forderungen erfüllt werden können und verurteilt mit einem Vers die Aufwiegler:

Ihr strengen Radikalen,
laßt nach mit eurem Prahlen,
bedenket euren Plan.
Ihr macht das Übel größer,
was nützen die Luftschlösser,
eucht steht die Herrschaft übel an.

Literatur

(1)Kreutzer/Düthorn: „Roßtal – Vergangenheit und Gegenwart“ Herausg. Markt Roßtal 1979, S. 170
(2)Dr. Wilh. Schreiber: „Geschichte Bayern“ Band II, S. 487 Herdersche Verlagsbuchh. Freiburg 1891
(2.1)ebenda S. 548
(2.2)ebenda S. 551
(2.3)ebenda S. 552
(2.4)ebenda S. 554
(2.5)ebenda S. 573
(3)Günter Jäckel: „Dresden zwischen Wiener Kongreß und Maueraufstand“ Verlag d. Nation Berlin 1989
(4)Germ. Nationalmuseum: „Geschichte Bayerns im Industriezeitalter“ Ausstell.-Kat. S. 115
(5)Dr. Freiherr Scheurl v. Defersdorf: „Bewegte Geschichte - Beharrlicher Fleiß“ Festvortrag am 4. Juni 1989

Quellen

(Q 1)Current Buch 1842 - 1857 der Marktgemeinde Roßtal
(Q 2)Rechnungsbuch der Marktgemeinde Roßtal von 1848
(Q 3)Statutenbuch der Gemeinde Großweismannsdorf 1841

Alle sonstigen Abdrucke oder Nennungen von Erlassen und Verordnungen aus dem Königlich-Bayerischen Intelligenz-Blatt für Mittelfranken Jahrgang 1848.


Dieter Koerber

1192 – 1792 – 1992

Das Jahr 1992 ist in doppelter Hinsicht ein Hohenzollern-Gedenkjahr für Franken:

1191/92 wurde der Schwiegersohn des Nürnberger Burggrafen Konrad von Raabs Graf Friedrich III. von Zollern nach dem Todes des Schwiegervaters als Erbe seiner österreichischen Besitzungen auch mit dem Nürnberger Burggrafenamt belehnt. Als Friedrich I. führt er die Reihe der Zollerischen Nürnberger Burggrafen an. Seine Nachfolger verstanden es, sich im Fränkischen nach und nach ein fast geschlossenes Territorium zu schaffen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es ihnen in Nürnberg, eingezwängt zwischen der Kaiserburg, zu deren Burghut sie ursprünglich bestellt waren, und der aufstrebenden Reichsstadt zu eng.

Unter Burggraf Friedrich III. konnte zwischen 1281 und 1287 auch der Bamberger Besitz in und um Roßtal erworben werden. 1331 erwarb Friedrich IV. von den Oettingern die Stadt Ansbach, nachdem schon lange vorher die Cadolzburg und die Plassenburg mit Kulmbach in den Besitz der Burggrafen gekommen waren.

Aus den Nürnberger Burggrafen wurden die Brandenburger Markgrafen mit der Kurfürstenwürde des Erzkämmeramtes, als 1415 Kaiser Sigismund den Burggrafen Friedrich VI. mit der Mark Brandenburg belegte. Den Titel der Markgrafen von Brandenburg konnten später auch die fränkischen Zollern in Ansbach und Bayreuth weiterführen.

Es ist hier nicht der Ort, die ganze Geschichte der Zollern in Franken darzustellen. Die Linie der Fränkischen Zollern ging zuende, als der letzte Ansbacher Markgraf Carl Alexander 1791, nach dem Tode seiner Frau Friederike Caroline von Sachsen-Coburg-Saalfeld mit seiner Maitresse, der Lady Craven nach England ging. Schon seit 1790 weilte Graf Hardenberg in Ansbach, um in aller Stille die Übergabe an Preußen vorzubereiten.

Am 1. Januar 1792 wurde der staunenden Bevölkerung mitgeteilt, daß sie nunmehr unter königlich Preußischer Herrschaft stehe. Diese währte allerdings nur 14 Jahre: 1806 kam die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach als Folge der Napoleonischen Kriege an das neugegründete Königreich Bayern. Im gleichen Jahr starb Carl Alexander in England.

Suchen wir nun in Roßtal nach den Spuren der fast 500 Jahre währenden Zollernherrschaft! Wir werden nicht sehr viel finden, aber einige Wappen erinnern an die für unseren Ort bedeutsame Zeit:

Wappenschild der Grafen von Zollern

1. Das schlichteste ist das kleine Zollernwappen an der Marktplatzseite des Tortürmchens zum Friedhof. Es zeigt nur den gevierteten Wappenschild der Grafen von Zollern, den wir uns farbig, schachbrettartig in Schwarz-Silber vorstellen müssen. Die darunter stehende Jahreszahl 1494 weist auf Markgraf Friedrich, den Älteren, den Vater Georgs des Frommen.

Wappen der Markgräfin Elisabeth von Bayern-Landshut

2. Größer und prächtiger ist das Wappen der Markgräfin Elisabeth von Bayern-Landshut. Sie war die Gemahlin Friedrich VI. des ersten Brandenburger Markgrafen. Der viergeteilte Wappenschild zeigt links oben wieder die Farben der Grafen von Zollern, rechts daneben den Brandenburger Adler, unten links die Bayerischen Rauten als Zeichen ihrer Bayerischen Herkunft, daneben das Burggrafen-Wappen. Es ist immer leicht zu erkennen an der weiß-roten Einfassung, dem Schildbord, die Farben sind in unserem Beispiel durch die Steinmetzarbeit angedeutet. Die Helmzier, der Brackenkopf, wenn farbig, mit roter Zunge und rotem Ohr gehört seit 1317 zum Zeichen der Burggrafen.
War "Schön Else", wie die Markgräfin genannt wurde, eine besondere Gönnerin unserer Kirche? Wir können es nur vermuten.

Staatswappen von Markgraf Carl Wilhelm Friedrich

3. Das dritte Wappen, welches es zu betrachten gilt (unser Titelbild), verwirrt durch die Vielzahl seiner Felder – nicht weniger als 27 – dazu noch das Herzschild mit dem Brandenburger Adler in der Mitte. Das Wappen, heute an der inneren Südwand der Laurentiuskirche, ist das Staatswappen von Markgraf Carl Wilhelm Friedrich (dem „Wilden Markgrafen“).

Mit der folgenden Aufzählung will ich es meinen Lesern leichter machen als es der gelehrte Heraldiker tun würde. In deren Zunft werden die Schilder von der Mitte aus beziffert und dann wird „gesprungen“, also bei einem neunteiligen Wappenschild

213
546
879

oder, wenn es wie hier 27 Teile und ein Herzschild hat (H):

3 1 2 4
7 5 6 8
11 9 H10 12
15 13 14 16
19 17 18 20
23 21 22 24
26 25 27

Machen wir es uns also leichter und beginnen wir immer ganz links

  1. Zeile: Herzogtümer Stettin - Preußen - Magdeburg - Pommern
  2. Zeile: Herzogtümer Mecklenburg - Cassuben - Wenden - Crossen
  3. Zeile: Fürstentum Halberstadt - Herzogtum Jägerndorf - Burggrafentum Nürnberg - Fürstentum Minden
  4. Zeile: Fürstentümer Schwerin - Kamin - Wenden - Ratzeburg
  5. Zeile: Grafschaften Rostock - Hohenzollern - Schwerin - Herrschaft Stargard.
  6. Zeile: Herrschaft Freusburg - Grafschaften Sayn - Wittgenstein - Herrschaft Homburg
  7. Zeile: Herrschaft Limburg - Herzogtum Franken - Regalienfeld

Das Blut- oder Regalienfeld erinnert an die Rote Fahne mit der die mit dem Blutbann, dem Hochgericht, ausgestatteten Reichslehen verliehen wurden.

Die Belehnung mußte bei jedem Herrschaftswechsel, sei es auf Seite des Königs bzw. Kaisers oder auf Seite der Adligen, wiederholt werden.

Man kommt der ganzen Aufstellung auf dem großen Wappenbild näher, wenn man nicht das gemalte Bild betrachtet, sondern sich einen Zug Fahnenträger mit den einzelnen Fahnen vorstellt.

Hier also sechsmal vier Fahnenträger in einem Glied, im siebten Glied sind es nur noch drei, die oben dargestellten ziehen voran. Für die Seitenbezeichnung links oder rechts gilt dann nicht mehr der Blick des Betrachters, sondern die Marschrichtung. Die korrekte heraldische Beschreibung benutzt diese Seitenangaben. Die Zählung von der Mitte zum Rand läßt die Hochrangigen in den einzelnen Zeilen in der Mitte marschieren. In der heraldischen Nummerierung läßt sich dann auch eine Rangordnung von oben nach unten erkennen:

Herzschild:   Mark Brandenburg mit der Kurwürde
 Herzogtümer
 Fürstentümer
 Grafschaften
 Herrschaften

Warum sind überhaupt so viele Wappen zu einem vereint? Es sollen alle Fürsten- und Adelstitel, die der Besitzer sich erworben hatte, zur Geltung kommen. Der Ansbacher Markgraf regiert natürlich nicht in allen Herrschaften und Staaten, die hier aufgezählt sind. Es sind seine Titel; so durften sich ja die Ansbacher und Bayreuther Zollern nach der Mark Brandenburg benennen, eben „Markgrafen“, als sie längst nicht mehr die Herrschaft im Norden ausübten, sondern durch Teilung praktisch drei Linien entstanden waren: Brandenburg, später Königreich Preußen, Ansbach und Bayreuth. Dazu kommen Titel oder Besitztümer, auf die man nur einen Erbanspruch hatte und deren einstiger Besitz nur erhofft werden konnte. Verständlich, daß dann so ein Wappenschild immer größer werden kann, wenn seinem Besitzer eine neue Herrschaft oder auch nur ein neuer Titel zufällt.

Diese Tatsache ermöglicht es uns, die Zeit dieses Ansbacher Staatswappens genauer zu bestimmen: Es muß nach 1742 entstanden sein, als dem Wilden Markgrafen noch die Grafschaften Sayn und Wittgenstein und die Herrschaft Limburg zugefallen waren. Vorher war das Wappen um diese Schilder kleiner.

Vermutlich hatte dieses Staatswappen in unserer Kirche ursprünglich seinen Platz auf der Brüstung der unteren Empore. Diese Empore kann man mit gutem Recht als Fürstenloge bezeichnen. Die drei vordersten Abschnitte gegen den Chor hin sind durch vier besondere Stützen, die mit Goldleisten profiliert sind und mit einem, einen Baldachin vortäuschenden oberen Abschluß besonders hervorgehoben. Die an dem oberen Abschluß angebrachten Nuten lassen vermuten, daß sich die hohen Herrschaften, sollten sie je an einem Gottesdienst in Roßtal teilgenommen haben, durch hölzerne Schiebegitter vor den Blicken des neugierigen Volkes schützen konnten.

Die erwähnten vier Stützen tragen wieder die vier Wappen der Bayern-Prinzessin, die wir schon am Kirchturm betrachtet haben.

Parallel mit den Wappen wuchsen auch die „Briefköpfe“ aus der Markgräflichen Kanzlei. Ein paar Beispiele seien abgebildet. Je länger die Herrschaft bestand, um so länger wurde auch die Liste der Titel der Regenten.

1650
1701
1708
1730
1755
1764
1786

Literatur

Die meisten Einzelheiten verdanke ich dem prächtig ausgestatteten Werk von Günther Schuhmann, „Die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach“ 90. Band des „Jahrbuch des historischen Vereins für Mittelfranken“, Ansbach 1980
Außerdem: Friedrich Vogtherr, Geschichte der Stadt Ansbach, Ansbach 1927