Urkundlich bereits 954 erstmalig erwähnt, dürfte Roßtal aufgrund seiner topographischen Lage wesentlich älter sein. Denn der verteidigungsgerechte Bergsporn und die vorbeiführenden Altstraßen waren sicherlich schon seit jeher Anziehungspunkt für siedlungswillige Menschen. Darauf gründet sich auch die Meinung heimatlicher Geschichtsforscher, daß die Entstehung des Ortes bis weit in die vorfränkische Kolonisationsperiode zurückreichen muß.
Auch der Ortsname, so einfach wie er klingt, bleibt trotz für den ersten Blick überzeugend vorgetragener Erklärungsversuche, vor allem was die Pferdezucht im Mühlbachtal betrifft, hinsichtlich seines Ursprungs rätselhaft. Warum? Weil Roßtal nicht in das für die Zeit der fränkischen Kolonisation gültige Schema der Namensgebung hineinpaßt.
Der Keuperwald, der damals das mittelfränkische Becken bedeckte, war die letzte Region, die von der karolingischen Kolonisation erfaßt wurde. Er war entgegen früherer Meinung nicht menschenleer, sondern nur sehr dünn besiedelt.
Vorgeschichtliche Funde deuten darauf hin, daß bereits in der Steinzeit sich Menschen in diesem Raum aufhielten oder wohnten. Nach den Kelten zwischen 500 und 100 v. Chr. kamen die Eibgermanen, 1) die auf der Suche nach geeigneten Siedlungsplätzen den Altstraßen von Norden nach Süden folgten und sich teilweise im Keuperwald niederließen. 2) Wegen ihrer Siedlungsgewohnheiten sind sie archäologisch kaum nachzuweisen, denn sie bevorzugten Einzelgehöfte in Leichtbauweise, das heißt Holz, Stroh und Lehm waren die Baustoffe.
Daß sie hier, wenn auch nur vereinzelt, aber in ununterbrochener Folge gelebt haben müssen, wurde von den Sprachforschern nachgewiesen, die aus dem fränkischen Sprachschatz elbgermanische Wörter herausgefiltert haben. 3) Der Beginn der fränkischen Kolonisation ist etwa um das Jahr 500 anzusetzen. Die fränkischen Kriegerverbände und Siedler zogen von Worms und Mainz ostwärts den damaligen Altstraßen entlang. Das Ziel der Frankenkönige war weniger die Erschließung neuer Lebensräume als vielmehr die Erweiterung des Herrschafts- und Einflußgebietes.
Die erste Welle dieser Kolonisierungsmaßnahmen erfaßte u. a. das Windsheimer Becken und Teile des heutigen Oberfrankens. Hier entstanden die fränkischen Orte mit der Endung -heim wie z. B. Burgbernheim, Uffenheim, Windsheim. Danach erfolgte die Besiedlung des Ansbacher Raumes, ausgehend vom Windsheimer Becken über die Hohe Steig (in etwa entlang der heutigen Bundesstraße 13). 4)
Die Kolonisierung des Keuperwaldes setzte in der zweiten Hälfte des 8. Jh. ein. Von Westen und Norden kommend, wurden von den Franken systematisch und planvoll Siedlungen angelegt und der Wald gerodet. Dort, wo man auf vorfränkische Einwohner stieß, wurden sie friedlich in das Geschehen eingebunden. Mit der Schaffung notwendiger Herrschaftsstrukturen sicherten sich die Franken ihren Einfluß.
Bei den in der Kolonisationszeit gegründeten Orten unterscheidet man in unserem Raum zwei Namenstypen und zwar die mit der Endung -bach und die mit der Endung -dorf. Im ersten Fall handelt es sich um Lagenamen wie z. B. Clarsbach und Buchschwabach. Im zweiten Fall ist das Grundwort -dorf mit einem Personennamen verbunden wie z. B. Ammerndorf, ein Hinweis auf grundherrliche Anlagen. 5) Alle Urdörfer reihen sich in dieses Namensraster ein. Doch nicht jeder Ort mit der Endung -bach oder -dorf ist ein Urdorf, da auch bei Ortsgründungen in den folgenden Jahrhunderten sich die Namensgebung nach dem gleichen Grundmuster orientierte.
Im Landkreis Fürth zählen über ein Viertel der dortigen Orte zu dieser Ortsnamensgruppe mit den Endungen -dorf und -bach, von denen die meisten in der frühen Rodungsperiode ihren Ursprung haben.
Nur Roßtal ordnet sich nicht in das damals übliche Namensraster ein, obwohl es nachgewiesener Maßen eine Urpfarrei war und damit zu den Urdörfern zählt. In dem mittelfränkischen Becken ist auch kein Urdorf mit der Endung -tal bekannt. Das Grundwort -tal stammt aus dem Sprachschatz der karolingischen Forstverwaltung 6) und dürfte daher erst nach der Gründung der Urdörfer Eingang in die Namensgebung gefunden haben.
Es ist auch zu fragen, warum man bei der Gründung von Roßtal wegen der markanten geographischen Lage nicht die Endung -berg oder -bürg gewählt hat, analog zum Matzenberg und Hunnenberg, die den Talsporn flankieren, Namen, die wahrscheinlich ebenfalls weit in die Geschichte zurückreichen. Weitere Beispiele im Frankenland sind Nürnberg und Würzburg.
Der Hunnenberg bezieht sich laut Kreutzer 7) auf einen Hundertschaftsführer, den er kurz als Hunno bezeichnet, der um 630 dort seinen Sitz errichtete und in der Kappel einen Fronhof anlegte. Dieses Ereignis fällt zusammen mit Maßnahmen Dagoberts I., König merowingischen Geschlechts, der einen Feldzug gegen die Slawen führte, den er mit der Schlacht bei der Wogastisburg um 631 verlor. Warum hat sich Hunno nicht auf den für eine Verteidigung besser geeigneten Talsporn, den späteren Kernort Roßtals, niedergelassen? War dieser vielleicht schon von anderen bewohnt?
Wir wissen es nicht, es liegt zuviel im Dunkel, vor allem nach dem Tode Dagoberts I. bis auf Karl Martell, eine Zeit, die bis etwa 720 von einem unbarmherzigen Familienstreit geprägt war. 8) Kreutzer vermutet, daß um diese Zeit, etwa um 650, vereinzelt Slawen in die hiesige Gegend eingesickert sind. 9) Es könnte auch schon einige Jahrzehnte früher geschehen sein, als die Slawen unter der Führung des Franken Samo nach Westen drängten und die fränkische Macht in Gefahr brachten. 10) Die Kolonisierung des Keuperwaldes mit der Gründung der vorher genannten Urdörfer setzte jedoch erst hundert Jahre später ein.
Steht nun der Name Roßtal in direktem Zusammenhang mit den ins Land gekommenen fränkischen Siedlern oder muß er eine neue Deutung erfahren?
Die Erklärungsversuche von Wiessner 11) wie von Kreutzer 12) konzentrieren sich naheliegenderweise auf das Grundwort -tal und auf das Bestimmungswort Roß-.
Wenn das Bestimmungswort Roß auf eine Pferdezucht begründet ist, drängt sich für das Grundwort -tal das Mühlbachtal auf, was von beiden Historikern auch näher erläutert wird, eine Meinung, die sich überwiegend durchgesetzt hat.
Von Wiessner wird aber auch noch die Frage erörtert, ob das Bestimmungswort vielleicht auf einen Personennamen zurückzuführen ist wie Razzo, Razo, Rezo, Radi, was sich später durch die in der Sprachgeschichte eingetretene Lautverschiebung zu Ros entwickelt hat. Kreutzer geht sogar einen Schritt weiter und schließt die Möglichkeit der Eindeutschung eines slawischen Namens "Rosice" nicht aus. Das Grundwort -tal dürfte nach deren Meinung in diesem Fall von dem germanischen Wort stal oder stall abstammen, was soviel bedeutet wie Ort, Heim, Stall, aber auch Dingstätte.
Manchmal wird auch, ausgehend von dem Namen Horsadal, der Ort als eine sächsische Zwangansiedlung angesehen, so z. B. Bosl, 13) da sie im fränkischen Raum wie z. B. Sachsen bei Ansbach nicht unbekannt ist. Horsadal ist aber eindeutig eine Übersetzung ins Niederdeutsche. Denn Widukind hat in der gleichen Geschichtschronik den Namen Regensburg mit Rainesburg übersetzt und den Fluß Regen mit Rain.
Daß die uns bekannten Erklärungen für den Ortsnamen Roßtal auch bei den genannten Autoren Fragen offen lassen, ist ihren Veröffentlichungen zu entnehmen. So schreibt Kreutzer: 14) „Da die Gründung Roßtals wahrscheinlich in der Zeit vor dem Jahre 700 zu suchen ist, dürfen für die Erklärung des Ortsnamens auch noch andere Überlegungen am Platze sein“. Und Wiessner 15) sagt am Schluß seiner Ausführungen: „Es wäre aber noch auf eine andere Möglichkeit hinzuweisen: vielleicht ist Roßtal gar nicht der ursprüngliche Name, sondern wurde erst von den Franken gegeben, als in der Nähe der Siedlung das für den fränkischen Königshof bedeutsame Pferdegestüt eingerichtet wurde“. Auch Wiessner vermutet also, daß wegen der äußerst günstigen topographischen Lage dem späteren Roßtal schon eine frühere Siedlung voranging.
Was allerdings das Pferdegestüt bzw. die Pferdezucht im Mühlbachtal, aber auch im allgemeinen, als Ausgangspunkt für den Namen Roßtal betrifft, so sprechen gewichtige Gründe gegen diese Deutung.
Woher kommt dann der Name Roßtal wenn nicht von Roß? Oder bleibt die Herkunft des Namens weiter hinter einem dunklen Schleier versteckt? Schriftliche Quellen und die Archäologie werden ihn nicht lüften können. Hoffnung bietet nur ein Vergleich mit Orten gleichen oder ähnlichen Namens, deren Herkunft geschichtlich geklärt und auf. deren Hintergrund sich Schlußfolgerungen oder zumindest Denkanstöße für das tausendjährige Roßtal ableiten lassen, um so dem Ursprung etwas näher zu kommen. Wenn E. Schwarz schreibt „zahlreich und wichtig sind die Beiträge, die die Ortsnamen zur alten Wortgeographie liefern“, 17) so gilt diese Feststellung auch umgekehrt.
Mit dieser Überlegung bin ich auf der Suche nach einem Ort ähnlichen oder gleichen Namens auf einen Stadtteil in Dresden gestoßen, der sich ebenfalls Roßthal schreibt, allerdings nach der alten Orthographie mit einem th, was in diesem Fall unbedeutend ist. Dieser germanisch klingende Name ist, wie ein Blick in den Stadtplan von Dresden zeigt, umgeben von früheren slawischen Siedlungsnamen mit der Endung -itz.
Vom Stadtmuseum von Dresden erhielt ich Auszüge aus verschiedenen Veröffentlichungen über dieses Roßthal. Daraus geht hervor, daß diese Siedlung erstmals 1319 als Rostyl in einer Urkunde erscheint. Dieser und die nachfolgenden Namen Rosztyl, Rostil, Rostel und Rozdel sind slawischen bzw. altsorbischen Ursprungs und bedeuten soviel wie „Zerteilung“ oder „Gabelung“. Das Häkchen über dem „e“ im Namen Rozdel wird nach Auskunft eines Altslawisten wie „Ja“, also Rozdjal gesprochen. Im übrigen gibt es noch heute in der tschechischen Sprache dieses Wort.
Kann dieses altslawische Wort in Beziehung zu den Ortsnamen Roßtal gebracht werden, nachdem im frühen Mittelalter Altstraßen an dem Bergsporn vorbeigeführt haben sollen? Zur Klärung dieser wohl wichtigen Frage werden in den nachstehenden Abschnitten folgende Aspekte näher untersucht:
Roßtal wurde schon in der vorfränkischen Zeit von drei wichtigen Altstraßen berührt, die nach allgemeiner Ansicht uralte Fernstraßen waren, auf denen sich nicht nur Händler und Krieger bewegten, sondern auch Völker, oder besser gesagt Volksgruppen, auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten. Sie wurden lange Zeit von vielen Historikern hinsichtlich ihrer geschichtlichen Bedeutung unterschätzt oder nicht zur Kenntnis genommen.
Westlich von Roßtal, auf halben Weg nach Fernabrünst, verlief die mittelgermanische Straße, die Italien mit der Nordsee verband. Der Abschnitt Verona–Bozen–Fernpaß–Augsburg ging als Via Claudia (46 n. Chr.) in die Geschichte ein. Der Weg setzte sich fort über Genderkingen bei Donauwörth nach Pfofeld, wo der Limes überschritten wurde, weiter nach Windsbach, Roßtal, Hallstadt bei Bamberg, Erfurt und endete in Bardowik bei Hamburg. Zwischen Clarsbach und Roßtal ist dieser Weg noch heute erkennbar. Auffällig an dieser Straße ist, daß sie sich in ziemlich gerader Linie wie ein Lineal von Süden nach Norden bewegte und weniger den geographisch günstigeren Gegebenheiten folgte. 18) Das war bereits für die römischen Straßen ein typisches Merkmal. Wahrscheinlich ist eine solche Linienführung dadurch erklärbar, daß die Menschen in früheren Zeiten über einen ausgeprägten Orientierungssinn verfügten, der uns in der technisierten Welt abhanden gekommen ist, und sich nach den Himmelskörpern und den natürlichen Erhebungen in der Landschaft orientierten und gleichzeitig den kürzesten Weg wählten.
Die zweite an Roßtal vorbeiführende Altstraße hatte ihren Ursprung im Seinebecken im heutigen Frankreich und nahm ihren Weg über Worms nach Wimpfen, wo sie sich teilte. In südöstlicher Richtung setzte sie sich als Nibelungenstraße fort, während sie in östlicher Richtung auf den Höhen zwischen Kocher und Jagst über Rothenburg Richtung Eger im Böhmischen verlief. Die heute noch bekannte und benutzte Hochstraße zwischen Oberdachstetten und Großhabersdorf ist in ihrem Verlauf mit der damaligen Altstraße aus vorfränkischer Zeit identisch, die in ihrer Fortsetzung Roßtal und Mögeldorf im heutigen Nürnberg berührte. 19)
Diese wichtige West-Ost-Verbindung war als Hochstraße, auch Hohe Straße genannt, angelegt, d. h. man mied die damals oft unwegsamen und feuchten Flußtäler mit ihrer Mückenplage im Sommer, was auch für viele andere Altstraßen gilt. Es muß daher angenommen werden, daß der Trassenverlauf dieser Hochstraße zwischen Großhabersdorf und Roßtal mit dem heutigen Fernabrünster Weg identisch ist. Denn dieser im gemeindlichen Besitz befindliche Weg verläuft auf einem Höhenrücken parallel zur Bibert, hat eine auffallend gerade Linienführung von West nach Ost und ist verhältnismäßig breit, eine wichtige Voraussetzung für den Fernhandel, was für die von den Franken angelegten lokalen Ortsverbindungen atypisch ist. Aus älteren topographischen Karten ist diese Altstraße von Roßtal über Lind nach Altenberg, wo sie als Hochstraße bezeichnet ist noch ersichtlich. Es ist der spätere Stadtweg der Roßtaler.
Die beiden von mir beschriebenen Altstraßen, Mittelgermanischer Weg und die Straße von Frankreich nach Böhmen, kreuzten sich in Höhe von Buttendorf. Diese Kreuzung ist noch heute in einem Waldstück deutlich zu sehen.
Eine dritte und wichtige vorfränkische Altstraße, die auch in die Geschichte Roßtals eingegangen ist, war die Verbindung von Würzburg über Langenzenn nach Regensburg, ebenfalls eine Hochstraße aus vorfränkischer Zeit. 20) Auf ihr verfolgte König Otto I. nach einem Bericht des sächsischen Mönches Widukind im Jahre 954 seinen aufständischen Sohn Liudolf von Langenzenn bis nach Regensburg, wobei er auf die Festung in Roßtal stieß, wo es bis in den späten Abend hinein zu schweren Kämpfen mit Verbündeten seines Sohnes kam. Aufgrund der geographischen Gegebenheiten und der Furt in Ammerndorf mündete diese Altstraße mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Cadolzburg in den Mittelgermanischen Weg. Hinter Buttendorf zweigte sie schließlich auf die Trasse der nach Böhmen gerichteten und weiter oben bereits beschriebenen Altstraße ab. In Roßtal trennten sich wieder die beiden Straßen, die eine in Richtung Altenberg, die andere auf der heute noch bekannten Hochstraße Richtung Großweismannsdorf und weiter nach Regensburg.
Roßtal lag also im Mittelpunkt von drei bedeutenden Altstraßen aus vorfränkischer Zeit und daß es hier die von mir beschriebene Straßengabelung gegeben haben muß, ist wohl nicht zu widerlegen. Damit wird die Vermutung anderer Historiker letzten Endes bestätigt.
Die Straßen waren schon in frühgeschichtlicher Zeit, als es nur wenige überregionale Verbindungen gab, von geschichtsprägender Bedeutung. Vorrangig dienten sie dem Fernhandel, dem Austausch seltener Güter zwischen den Völkern. Auf ihnen bewegten sich die Heere, selbst die Hunnen nutzten die Straßen auf ihren Weg von Osten bis nach Gallien im heutigen Frankreich. Und in der Zeit der Völkerwanderung sah man auf ihnen germanische Stämme auf der Suche nach siedlungsfreundlichen Räumen.
Es ist daher nicht auszuschließen, daß nicht nur die Elbgermanen auf diesen Wegen in den Keuperwald drangen, sondern auch Slawen, vereinzelt oder in größeren Gruppen.
Im Heimatbuch von Roßtal erwähnt Kreutzer, daß um ca. 650 frühgeschichtliche Siedler slawischer Herkunft sich in dieser Gegend niedergelassen haben. 21) Ebenso wird in der Markbeschreibung des Klosters St. Emmeram in Regensburg von etwa 810 ein slawischer Müller namens Dragamusil erwähnt, wobei anzunehmen ist, daß es sich nicht um eine einzelne Person, sondern um eine Großfamilie oder Sippschaft handelte. Man lebte damals stets im Großverband der Familie und nicht als Einzelperson oder moderner formuliert als Single. Die Mühle soll am Südufer der Schwabach an der Ortsgrenze zwischen Schwabach und Unterreichenbach gestanden haben. 22) Die beiden Heimatforscher Ortegel und Körber jedoch lokalisieren diese Mühle aufgrund ihrer besseren Ortskenntnisse bei Kottensdorf.
Außerdem kennt man im näheren und weiteren Umkreis von Roßtal Dörfer mit slawischen Namen. Dazu gehören Weitersdorf (Vitansdorf), Deffersdorf (Tefersendorf), Zautendorf (Czawlkendorf), Gotmanndorf (Gozemuzilesdorf) und Wintersdorf (beim windischen Dorf). 23) Im Ansbacher Raum sind es die Ortschaften mit der Endung -wind, wie z. B. Bernhardswinden, Wolfartswinden, aber auch Windsbach zählt dazu. In der althochdeutschen Sprache bezeichnet „winid“ den Slawen.
Alle die genannten Orte führt man auf slawische Zwangsansiedlungen durch die Karolinger zurück, ähnlich den Zwangsansiedlungen von Sachsen im gleichen Zeitraum. Doch sollte man mit dem Begriff „Zwang“, wie wir ihn aus der jüngsten Geschichte kennen, sehr vorsichtig sein, weil die Slawen vermutlich den fränkischen Siedlern freiwillig gefolgt sind. Die Bindung an den Grundherrn war nicht mit Unfreiheit in unseren Sinn verbunden. Es ist auch nicht vorstellbar, daß Slawen in größerer Zahl mit Gewalt über große Strecken in das zu rodende Siedlerland im Keuperwald zu verbringen gewesen wären. Dafür fehlten zur Zeit der Karolinger wohl auch alle Voraussetzungen für die Durchsetzung staatlicher und militärischer Zwangsmittel und würde auch in Widerspruch zu der den Slawen zugestandenen Freiheit, den von ihnen gegründeten Orten eigene Namen zu geben, stehen.
Die Ortsnamen machen laut Bosl 24) auch eine autogene slawische Unterwanderung sichtbar, d.h. eine von der fränkischen Kolonisation unabhängige Ansiedlung. Dieser Hinweis ist wichtig, da es vor nicht zu langer Zeit eine Periode gab, in der einige namhafte Historiker sich gegen eine solche Annahme mit Heftigkeit wehrten. Die Rassenideologie des Dritten Reiches zeigte ihren unheilvollen Einfluß und die Forschung über die Slawen in Franken erlitt dadurch einen herben Rückschlag.
Worauf begründet sich nun die Behauptung von Kreutzer über die Ansiedlung von Slawen in der Roßtaler Gegend um 650? Die von ihm angegebene Literatur zu diesem Thema stammt aus den 40er und 50er Jahren. Sie enthält keine Aussagen darüber. Sehr wahrscheinlich hat Kreutzer die diesbezüglichen Quellen aus dem Gedächtnis niedergeschrieben und sich dabei geirrt. Sein Wissen hierüber resultiert sicherlich aus Berichten, die in die Zeit vor 1933 zurückreichen. Denn die Geschichtsforschung war damals, beginnend mit der Romantik, sehr stark von einer Slawomanie geprägt, die der Objektivität ebenso schadete wie die danach eingetretene und von der nationalsozialistischen Ideologie initiierte Slawophobie, d. h. von einer Angst begleiteten Einstellung zu den Slawen. Seit längerer Zeit ist ein Wandel eingetreten, die Forschung über die Slawen in Deutschland hat wieder an Gewicht gewonnen und es werden in zunehmendem Maße neuere Erkenntnisse zutage gefördert.
Das Wissen über die Ansiedlung von Slawen im oberfränkischen Raum in der Gegend um den Main und in der Regnitzfurche zwischen Hallstadt/Bamberg und Forchheim geht weit zurück. Nach neueren Erkenntnissen war die slawische Volksgruppe zahlreicher als bisher angenommen. 25) Man kann davon ausgehen, daß sie freiwillig gekommen sind, da die Zentralgewalt in dem großen merowingischen Reich noch nicht stark genug war, um ein Einsickern fremder Volksgruppen in einem dünn besiedelten Raum zu verhindern oder zumindest zu steuern. Im Jahr 1941 hatte ein namhafter Historiker im Jahrbuch für fränkische Landesforschung genau das Gegenteil geschrieben gehabt. Diese Bemerkung ist lediglich ein Hinweis dafür, wie die Geschichtsforschung seinerzeit ideologisch geprägt war.
Woher kamen die Slawen? 531 wurde an der Unstrut das thüringische Reich, das bis in das heutige Nordbayern hineinreichte, von den Franken zerstört. Man nimmt an, daß anschließend die thüringische Grenzbevölkerung neue Siedlungsgebiete suchte und dadurch ein Machtvakuum verursachte. Einige Jahrzehnte später verließen slawische Siedlergruppen ihre Heimat in Böhmen und wanderten elbaufwärts in das heutige Sachsen. Ein weiterer Teil der Slawen breitete sich westwärts an der Saale aus und drang wahrscheinlich von dort nach Oberfranken vor.
Erstmals erwähnt wurden die Slawen um 631/32 von dem fränkischen Chronisten Fredegar. Er schrieb, daß ein fränkischer Kaufmann namens Samo die böhmisch-mährischen Slawen zu einem gefährlichen Machtblock zusammengeführt hat, gegen den der merowingische König Dagobert I. zu Felde zog. Um 631 wurde er bei der Wogastisburg von den Slawen geschlagen. Aufgrund sprach geschichtlicher Überlegungen wird neuerdings die Wogastisburg in Oberfranken, vor allem in der Nähe von Forchheim vermutet und nicht wie bisher in der Gegend von Eger. 26) Diese Annahme ist jedoch zum Teil noch umstritten.
Die Niederlage Dagoberts I. hat mit Sicherheit das Eindringen weiterer Slawen in den nordbayerischen Raum gefördert. Denn nach seinem Tode (639) wurde das merowingische Königshaus durch Familienzwistigkeiten in seiner Machtausübung völlig geschwächt. Das von Kreutzer vermutete Einsickern von Slawen in die Roßtaler Gegend fällt mit dieser Periode zusammen, ebenso die Besiedlung des Hunnenberges durch einen sog. Hundertschaftsführer.
Das Vorkommen von Slawen in Oberfranken wird durch das Diedenhofener Capitular von 805 bestätigt, das Rechtsvorschriften Kaiser Karl des Großen über die Sicherung und Überwachung des Handels zwischen Franken und Slawen enthält. Darin werden als Zollorte Hallstadt bei Bamberg und Forchheim genannt. Beide Orte liegen nicht unweit von der Mittelgermanischen Straße, die an Roßtal vorbeiführte. Eine Entfernung zwischen Forchheim und Roßtal von ca. 40 km dürfte für die Slawen kein Hindernis gewesen zu sein, vereinzelt bis hierher vorzudringen. In Anbetracht der Mobilität, die die Völker in frühgeschichtlicher Zeit kennzeichnete, und dem Netz von Altstraßen um Roßtal herum muß ein Fernbleiben der Slawen von diesem markanten Platz für die weniger wahrscheinliche Variante gehalten werden. Es wird auch von der Forschung nicht mehr bestritten, daß es im mittelfränkischen Raum slawische Einsprengsel, wohl weniger geschlossene Siedlungslandschaften, gegeben hat. Als Beispiel sei auf den slawischen Müller namens Dragamusil hingewiesen.
Desweiteren gibt es Bodenfunde, die ebenfalls auf die Anwesenheit von Slawen in Mittelfranken hinweisen. Es handelt sich um Schläfenringe, ein typischer Schmuck der slawischen Frau. Die Schläfenringe waren offen, an einem Ende s-förmig oder kreisförmig gebogen und wurden, wie der Name schon sagt, in der Nähe der Schläfe getragen und waren an Stirnbändern befestigt. Schläfenringe mit einem s-förmigen Ende sind vor allem im Bereich der Westslawen nachweisbar. 27) Wegen ihrer Größe und ihres Gewichtes konnten sie nicht als Ohrringe genützt werden.
Dinklage, der sich um die fränkische Geschichtsforschung Verdienste erworben hat, hatte nachzuweisen versucht, daß die im fränkischen Raum gefundenen Schläfenringe germanischen Ursprungs sind und erst in ottonischer Zeit von den Slawen in kleiner Form übernommen wurden. 28) Doch die Ergebnisse der modernen Slawenforschung sprechen dagegen, ebenso das Verbreitungsgebiet der Schläfenringe im östlichen Europa.
In Adelsdorf an der Aich (in der Nähe von Höchstadt) wurde ein Topf mit 10 Schläfenringen gefunden, bei der Schwadermühle 3, ebenso in Rudelsdorf südlich Schwabach und in Hergersbach östlich von Windsbach. Die hier aufgeführten Orte lagen an oder in der Nähe der Mittelgermanischen Straße und wurden in Reihengräberfeldern aus dem 7./8. Jahrhundert entdeckt. Die Fundorte bestätigen die Bedeutung der Altstraßen in früher Zeit.
Ein weiterer Fundort ist in Frickersdorf, Gemeinde Dietenhofen, bekannt, ca. 2 km von der aus Frankreich kommenden und ostwärts führenden Hochstraße entfernt.
Im Raum Ansbach wurden in Großbreitenbronn (9) und in Weiherschneidbach (1) solche Schläfenringe gefunden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß man auch in Oberösterreich, wo im 7./8. Jahrh. Bayern und Slawen friedlich nebeneinander siedelten, Schläfenringe gefunden hat. Diese geschichtlichen Parallelen könnten vielleicht in der Forschung weiterhelfen.
Schwierigkeiten bereitet die ethnische Zuordnung, da die Schläfenringe in Reihengräbern lagen, während bei den Slawen die Brandbestattung üblich war. Ob sie, wie Losert meint, 29) als Neusiedler von den Franken die Körperbestattung oder die Franken von ihnen den Schmuck übernommen haben, wird vielleicht erst durch weitere Funde geklärt werden können. Da man zwischen den Reihengräbern auch Spuren von Brandbestattungen entdeckt hat wie z. B. in Kleinlangheim bei Kitzingen und in Dittenheim, müssen in unserem Raum sehr enge menschliche Beziehungen zwischen den beiden Volksgruppen bestanden haben.
Das Wissen über die Slawen wird seit einiger Zeit immer größer und die Literatur hierzu zahlreicher. Es wird auch nicht mehr für ausgeschlossen gehalten, daß in den Reihengräbern nicht nur Menschen fränkisch-deutscher Abkunft lagen, 30) was das friedliche Nebeneinander von Slawen und Franken bestätigen würde. Vereinzelt drangen die Slawen bis an den Rhein und die Alpen vor.
Den Slawen fehlte eine übergreifende eigene Herrschaftsstruktur, weshalb es bei der Besiedlung des fränkischen Raumes nicht zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam, was zu einer Gleichbehandlung mit den Franken führte. Hier liegt wohl auch der Grund, daß die Assimilierung der Slawen schnell voranschritt und ihre kulturelle Eigenheiten und ihre Sprache sich in der nachfolgenden Zeit verloren hat.
Vorausgeschickt werden muß, daß Roßtal im Grenzbereich zu Bayern lag und die mundartliche Grenze den Ort berührte. Sprachforscher haben jedenfalls herausgefunden, daß sich der Roßtaler Dialekt zu gleichen Teilen aus fränkischem und bayerischem Wortgut zusammensetzt, ein Verhältnis, das in Ammerndorf und Cadolzburg nicht vorzufinden ist. 31)
Auf der Suche nach slawischen Sprachresten im hiesigen Dialekt konnte im Roßtaler Heimatbuch nur ein einziges Wort gefunden werden. Es lautet Grei und steht für Kren bzw. Meerrettich (tsch. Krn, russ. chren). 32) Ob der Wortschatz noch weitere Wörter slawischen Ursprungs enthält, ist nicht bekannt.
Ist der Name Roßtal ein rein germanisches Wort oder kann er auch auf das slawische Wort Rosdel oder ein ähnliches slawisches Wort gleichen Inhalts (Gabelung) zurückgeführt werden? Bisher hatte man sich ja immer auf den aus der Sachsenchronik überlieferten Ortsnamen Horsadal berufen und meinte, daß Horse und Roß identisch und Zweifel daher ausgeschlossen sind.
Doch der Mönch Widukind vom Kloster Corvey, von dem der Name Horsadal stammt, war nicht Augenzeuge des Geschehens über das er für die Nachwelt in der Sachsenchronik berichtete. Er schrieb nur über das, was ihm mündlich zugetragen wurde. Da die Chronik über Roßtal etwa um 960 entstanden ist, dürften einige Jahre vergangen sein, bis er Kunde von dieser schweren Schlacht erhielt und der Name des Kampfortes sein Ohr erreichte. Ist es nicht denkbar, daß in dieser verhältnismäßig langen Zeitspanne durch den oder die Übermittler eine kleine Veränderung in der Betonung des Wortes zu einer Verfälschung des ursprünglichen Ortsnamens geführt haben kann?
Noch etwas sollte bei dieser Betrachtung nicht außer acht gelassen werden. Der Name Horsadal hat hunderte von Jahren in der Bibliothek des Klosters Corvey geschlummert, bis er nach Roßtal zurückkam und dort bekannt wurde. Die frühgeschichtliche Weiterentwicklung oder Veränderung des ursprünglichen Ortsnamens blieb daher von Widukinds Horsadal unbeeinflußt.
Über den Kampf zwischen König Otto I. und seinem Sohn wurde auch wenige Zeit später in den Hersfelder Annalen berichtet, wo die Namensform Rossadal bzw. Rosodal gebraucht wurde. 33)
Wir haben es hier mit den ältesten uns überlieferten Ortsnamen in drei verschiedenen Varianten zu tun. Erschwerend für die Beurteilung der verschiedenen Schreibweisen kommt hinzu, daß der ursprüngliche Name die Chronisten erst nach längerer Zeit und nur als gesprochenes Wort erreichte. Ist aus diesem Grund die Möglichkeit in die Überlegungen einzuschließen, daß der damalige Sprachklang, die Aussprache des Wortes, verschiedene Schreibinterpretationen zuließ?
Eine eindeutige Schreibweise des Namens Roßtal, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hatte sich erst ab dem 11./12. Jahrhundert entwickelt (Rostal), die rund 500 Jahre bis in das 16. Jahrhundert Bestand hatte. Das Roß wurde laut Grimms Wörterbuch bis in das auslaufende 15. Jahrhundert mit einem „s“ geschrieben, wodurch Verwechslungen mit dem Wort Rose, die häufig in der gekürzten Form ros in den Schriften vorzufinden war, nicht auszuschließen gewesen ist. Anzumerken ist, daß das in der mittelhochdeutschen Sprache abgefaßte Nibelungenlied, das um 1200 im Kloster St. Gallen niedergeschrieben wurde, das Roß bereits mit Doppel-s aufgeführt ist. Der Übergang zur neuen Schreibweise scheint also teilweise schon früher eingesetzt zu haben. Fest steht, daß es über Jahrhunderte hinweg keine allgemein gültigen Schreibregeln gab.
Bei solchen Überlegungen ist zu berücksichtigen, daß wir es mit einer lebenden Sprache zu tun haben; die sich in verschieden langen Stadien vom Althochdeutschen über das Mittelhochdeutsche bis hin zu unserer modernen Sprache entwickelt hat. Die Bedeutung vieler Wörter, ihre Rechtschreibung und ihre Aussprache bzw. Artikulation haben im Laufe der Jahrhunderte in einer zum Teil nicht nachvollziehbaren Weise Veränderungen erfahren.
Der Name Roßtal läßt sich daher aufgrund der vorangegangenen Ausführungen ohne weiteres aus dem slawischen Namen Rosdel bzw. Rostyl oder auch Rostel ableiten. Während der Kolonisation wurde der Ortsname von den fränkischen Neusiedlern übernommen und die Artikulation der eigenen Sprache angepaßt, was im vorliegenden Fall nicht schwierig gewesen ist. Aus dem Rosdjal wurde ein Rosdal. Solche Fälle kennt man mehr und zwar dort, wo Franken, Thüringer und Bayern friedlich mit Slawen in Nachbarschaft lebten. Neben der Eindeutschung von slawischen Ortsnamen kennt man auch noch deutschslawische bzw. slawischdeutsche Mischnamen. 34)
Im 10. Jahrhundert hat schließlich eine Lautverschiebung von -d zu -t stattgefunden und aus Rosdal wurde ein Rostal. Es ist anzunehmen, daß diese Lautverschiebung Mitte des 10. Jahrhunderts, als Roßtal urkundlich in die Geschichte eintrat, noch nicht abgeschlossen war. In den Hersfelder Annalen sprach man ja noch von einem Rossadal bzw. Rosodal.
Das älteste Wachssiegel mit dem Roßtaler Wappen ist uns von einem Dokument aus dem Jahr 1501 bekannt. Der Siegelstempel soll allerdings älter sein. 35) Auf diesem Wappen mit dem Pferd, das aus einem gotisierten Stall tritt, gründet sich die Annahme einer Pferdezucht für den Königshof. Das würde aber bedeuten, daß die Erinnerung bzw. das kollektive Gedächtnis bis in die Gründerzeit, also rund 700 Jahre, hätte zurückreichen müssen. Hier sind wohl Zweifel angebracht. Wer von uns weiß noch heute aus der mündlichen Überlieferung, was im 14. Jahrhundert, also vor 700 Jahren, in Roßtal geschehen ist? Ein Zeitraum dieser Größenordnung überfordert die kollektive Gedächtnisfähigkeit. Mündlich überliefert wurden uns nur außergewöhnliche Ereignisse mit dramatischen oder tragischen Handlungsabläufen, wie sie uns in den Sagen begegnen, wobei sie häufig in den einzelnen Zeitabläufen inhaltliche Änderungen erfahren haben. Hierzu gehört aus unserem Umkreis die Sage von Herzog Ernst, der in der alten Roßtaler Kirche seine letzte Ruhestätte gefunden haben soll.
Das Geschehen des täglichen Lebens in einer agrarisch geprägten Gesellschaft, wozu auch die Pferdezucht gehörte, war hingegen nicht der Überlieferung wert, denn es war über Jahrhunderte hinweg etwas alltägliches.
Nun zum Siegelstempel selbst. Wer hat ihn hergestellt? Eine solche Arbeit erforderte künstlerisches Geschick. Vielleicht war es ein Nürnberger Handwerker, vielleicht ein Zeitgenosse Dürers. Hatten die Auftraggeber das Motiv vorgegeben und dem Künstler - heute würde man Graphiker sagen - Gestaltungsfreiheit eingeräumt? Wahrscheinlich, weil es der üblichen Verhaltensweise zwischen Auftraggeber und Künstler entspricht. Als Vorlage für die Gestaltung des Wappen könnte die Sage von dem Pferd gedient haben, über die Rohn in seinem Heimatbuch berichtet 36) hat. Diese Sage ist einem Rechtsgutachten zu einem Streit zwischen den Richterämtern Roßtal und Cadolzburg im Jahr 1620 entnommen. Die Sage dürfte also schon damals sehr alt gewesen sein. In dieser Sage wird im altdeutschen und daher für uns in einem etwas schwer verständlichen Stil mit der Überschrift „Wann nur der Gaul Flügel gehabt hat!“ in etwa folgendes berichtet: „Es wird viel davon erzählt, daß an der Stelle, wo heute die Kirche steht, einst ein Pferd eine Glocke ausgescharrt hat, unter der man ein Kirchlein entdeckt hat und dasselbe Pferd sei von der Spitze außerhalb des alten Walls vom Felsen, in welchem man noch bis vor drei Jahren die Fußstapfen hat nachweisen können und von einem Maurer beim Steinbrechen zerstört wurde, bis gen Raitersaich auf einen Sprung gesprungen, und von Raitersaich gen Gottmannsdorf, dahin man das Kirchlein erbaut, doch mags glauben wer da will, wann nur der Gaul Flügel gehabt hat.“
Die Gestaltung eines Wappens ohne historischen Hintergrund war nichts unübliches. Das Stadtwappen von Rosenheim z. B. enthält eine stilisierte Rose, obwohl der Ort urkundlich auf einen Grafen von Wasserburg mit einem ähnlichen Namen zurückgeht.
Das Roßtaler Wappen scheint eine Kombination von Kirche und Stall darzustellen, ein Bild, das sich gedanklich in die Sage von dem Gaul einordnen läßt. Unterstützt wird diese Ansicht durch den Schriftzug im Wappen, wo der Ortsname erstmalig mit einem zweiten „s“ geschrieben wird, also Rosstal. Aus der ursprünglichen Endsilbe -tal wurde in Verbindung mit dem Wappen ein Stall. In dem Siegel mit Wappen von 1639 war dieses zweite „s“ wieder verschwunden, der Ortsname lautete wieder schlicht wie ehedem Rostal. In den späteren Urkunden und Schriftstücken findet man schließlich unterschiedliche Schreibweisen.
Mit der Annahme, daß man mit dem Wappen von 1501 dem Ortsnamen einen Begriffsinhalt geben wollte, bekommt eine uns geschichtlich überlieferte Bemerkung einen Sinn. Sie scheint mir sogar ein wichtiger Schlüssel für die Analyse des Namens Roßtal zu sein. Diese Bemerkung wurde um 1530 niedergeschrieben, also wenige Jahre nach Erscheinen des Wappens, und stammt von einem Kaspar Brusch, latinisiert auch Bruschius genannt, Dichter und Geschichtsschreiber von Beruf, der sich als Reisender auch im Kloster Heilsbronn aufgehalten hatte und über Roßtal u. a. folgendes geschrieben hat: 37) „In der Nachbarschaft dieses Klosters (Heilsbronn) ist ein auffallender Gau Roßtal, was durch die Lateiner als Pferdestall oder lieber Rosental bezeichnet wird.“
Das ganze klingt zunächst etwas merkwürdig und man fragt nach dem Hintergrund. Wenn ein Geschichtsschreiber eine solche Bemerkung, die man ihm beim Essen oder abends bei einem Glas Wein erzählte, in seine Reiseaufzeichnungen übernahm, dann muß sie doch die Heilsbronner sehr berührt haben und von Bedeutung gewesen sein.
Es liegt ein abwertender und spöttischer Ton in diesem Satz, da vom Pferdestall und nicht von „Rosstal“ gesprochen wird, gleichsam als wollte man damit zum Ausdruck bringen, daß die Herren Nachbarn jetzt wohl ein bißchen größenwahnsinnig geworden sind. Sicherlich ist damit ein Bezug auf das wenige Jahre zuvor geschaffene Siegel mit Roß und Stall und dem geänderten Ortsnamen gegeben. Und mit der zweiten Satzhälfte, daß die Lateiner den Ort lieber als Rosenthal bezeichnen, könnte ein Hinweis dafür sein, daß dieses Wort von der Aussprache und Klang her dem ursprünglichen Ortsnamen näher kam. In diesem Zusammenhang muß auch auf den Namen Rosodal in den Hersfelder Annalen hingewiesen werden, denn Rosental und Rosodal stehen sich klanglich sehr nah. Hatte in der Meinung der damaligen Zeitgenossen der Name Roßtal mit dem Roß doch nichts zu tun?
Diese Interpretation könnte erklären, warum das übergeordnete Amt Cadolzburg noch 1528 Roßtal nur mit einem „s“ geschrieben hatte, d. h. man lehnte die neue Schreibweise mit Bezug auf das Pferd und den Stall einfach ab. Es wäre ein zusätzliches Beweisstück zu den vorangegangenen Ausführungen, wonach der Ortsname auf eine andere Wortwurzel zurückgeht als bisher angenommen.
„Das Problem des Namens Roßtal ist trotz vieler Versuche bis heute nicht einwandfrei gelöst. Angesichts der günstigen Lage auf einem Talsporn und an einer Altstraße taucht immer wieder die Vermutung auf, die Siedlung könnte eine Gründung sein aus vorfränkischer Zeit“. Diese Bemerkung hat 1963 Wiessner, 38) der sich selbst mit dem Ursprung Roßtals intensiv befaßt hatte, in seinem Historischen Ortsnamensbuch für den Stadt- und Landkreis Fürth geäußert.
Sind wir nun der Lösung etwas näher gerückt und ist der Schleier über die Herkunft des Namens Roßtal gelüftet? Wohl noch nicht endgültig, aber gegenüber allen bisherigen Erklärungsversuchen ist die von mir vorgelegte Untersuchung die plausibelste, da sie an historischen Tatbeständen, die in die vorfränkische Zeit zurückreichen, anknüpft und die Beweisführung logisch in sich geschlossen ist. Doch den endgültigen Beweis können nur die Ergebnisse künftiger Ausgrabungen in Roßtal und eventuell, wenn auch nur mit geringeren Erwartungen, die Sprachforschung liefern.
Doch sollten wir wegen der endgültigen und abschließenden Beweisführung an die Archäologie keine zu großen Hoffnungen knüpfen. Wir wissen nicht, wie oft schon der Boden am oberen Markt Roßtals umgepflügt wurde. So dürften im Laufe der Jahrhunderte beim Bau des Kastells, der Kirche und der Wohnhäuser sicherlich viele wertvolle Spuren aus der vorfränkischen Zeit verloren gegangen sein. Hinzu kommt, daß der Talboden wegen seiner großen Feuchtigkeit eine Konservierung slawischer Siedlungsreste verhindert hat. Die für die Slawen typische Hausform wie Blockbauten aus Holz und quadratische Grubenhäuser mit Herdstellen werden daher kaum noch zu entdecken sein. Ebensowenig Spuren von Brandbestattungen.
Hoffnungen knüpfen sich auch an künftige archäologische Forschungsergebnisse in Oberösterreich, wo im 8/9. Jahrhundert slawische und bayerische Siedler nebeneinander lebten und vielleicht lassen die Forschungsarbeiten über die frühen slawischen Siedlungen in Ostdeutschland Rückschlüsse auf die Slawen im fränkischen Raum zu.
Die uns bekannte Geschichte Roßtals wird durch meine Darlegungen ergänzt, aber nicht umgeschrieben. Die von anderen Historikern geäußerten Vermutungen, daß die Gründung Roßtals in die vorfränkische Zeit zurückreichen muß, werden nicht nur bekräftigt, sondern auch mit zusätzlichen Erkenntnissen angereichert. Die Roßtaler Geschichte hat also aller Wahrscheinlichkeit schon im 7. Jahrhundert begonnen und wäre damit um 300 Jahre älter als bisher angenommen.
1) | Elbgermanen ist ein Sammelbegriff für den germanischen Stammesverband der Sweben, zu denen u. a. die Hermunduren, Langobarden, Markomannen, Quaden und Semnonen gehörten. |
2) | W. Wiessner, Historisches Ortsnamensbuch: Mittelfranken, Stadt und Landkreis Fürth S. 19 |
3) | W. Wiessner, ebenda |
4) | E. Frh. v. Guttenberg, Stammesgrenzen und Volkstum im Gebiet der Rednitz und Altmühl in: Jhb. f. fränkische Landesforschung 1943, Band 8/9, S. 62 |
5) | ebenda, S. 60/61 |
6) | H. Weigel, Straße, Königscentene und Kloster im karolingischen Ostfranken, Jhb.f. fränkische Landesforschung 1953, S. 14/15 |
7) | H. Kreutzer in: Rosstal, Vergangenheit und Gegenwart, S. 18 |
8) | H. Weigel, Frankens Werden und Wesen, in: Frankenland, Jahrg. 1954, S. 46 |
9) | H. Kreutzer, ebenda S. 46 |
10) | H. Walther, in: Die Slawen in Deutschland, Handbuch, herausgegeben v. J. Herrmann 1970 S. 26 |
11) | W. Wiessner, Historisches Ortsnamensbuch: Mittelfranken, Stadt und Landkreis Fürth, S. 84 |
12) | H. Kreutzer, ebenda, S. 19 |
13) | K. Bosl, Franken um 800, S. 15 |
14) | H. Kreutzer, ebenda, S. 19 |
15) | W. Wiessner, ebenda, S. 85 |
16) | Dieses komplexe Geflecht von Rechten und Abhängigkeitsverhältnissen – Grundherrschaft ist ein Wort der modernen Geschichte – fand im Schwabenspiegel, ein Rechtsbuch von etwa 1275, mit folgendem Satz einen für jedermann verständlichen Niederschlag: „Wir sullen den herrn darumb dienen, daz sie uns beschirmen. Beschirmen sie uns nit, so sind wir inen nichts dienstes schuldig noch rechte“. |
17) | E. Schwarz, Sprache und Siedlung in Nordostbayern (1960), S. 170 |
18) | W. Funk, Altstraßen um Herzogenaurach, 1949 Chr. Franck, Deutsche Gaue, 1934 |
19) | Scherzer, Franken Band 1, S. 388 |
20) | K. Bosl, Franken um 800 (1969), S. 35 |
21) | H. Kreutzer, ebenda, S. 46 |
22) | K. Dinklage, Die Besiedlung des Schwabacher Landes in karolingischer Zeit, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 6/7 1941 S. 210 |
23) | H. Kreutzer, ebenda, S. 46 |
24) | K. Bosl, ebenda, S. 14 |
25) | H. Walther in: Die Slawen in Deutschland, 1970, S. 28 |
26) | H. Losert, in: Die Welt der Slawen, 1991, S. 377 |
27) | Witold Henne, Die Slawen im frühen Mittelalter. Ihre materielle Kultur, S. 384 |
28) | K. Dinklage, Südostforschungen 1941 |
29) | H. Losert, ebenda, S. 370 |
30) | W. Menghin, Frühgeschichte Bayerns, 1990, S. 98 |
31) | H. Kreutzer, ebenda, S. 52 |
32) | H. Dallhammer, Rosstal, Vergangenheit und Gegenwart, S. 359 |
33) | W. Emmerich, Landesburgen in ottonischer Zeit, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1957, Band 37, S. 64 |
34) | H. Walther, in: Die Slawen in Deutschland, S. 28 |
35) | A. Rohn, Heimatbuch von Roßtal und Umgebung, S. 1 |
36) | A. Rohn, ebenda, S. 99 |
37) | H. Kreutzer, ebenda, S. 113 |
38) | W. Wiessner, ebenda, S. 30 |