Von alten Mühlen geht etwas Faszinierendes aus. Ob von der Energie des fließenden Wassers oder von der Kraft des Windes bewegt, zeigen diese Werke, dass der Mensch schon sehr früh verstand, sich die Kräfte der Natur nutzbar zu machen.
Die Wasser- oder Windkraft in Verbindung mit der Mechanik des Mahlwerkes übernahm die vorher so mühsame Herstellung von Mehl durch Zerstampfen und Zerreiben der Getreidekörner in Mörsern und Reibschalen.
Aus dem Altertum sind Darstellungen, vor allem aber schriftliche Zeugnisse überliefert, die einen Einblick geben, mit welchem körperlichen Auf wand die Herstellung des Grundnahrungsmittels Mehl verbunden war, die aber auch aufzeigen, welche existentielle Bedeutung für den Einzelnen der Besitz einer Möglichkeit für das Mahlen von Getreide hatte. (L1)
So steht im 5. Buch Mose, Kap. 24,6 „Du sollst nicht zum Pfände nehmen den untersten und obersten Mahlstein, denn damit hättest du das Leben zum Pfand genommen“.
Über die Jahrhunderte hinweg erfuhr die schon von dem römischen Architekten Vitruv zu Beginn der Zeitrechnung beschriebene Technik des Antriebs von Mahlwerken mit Hilfe der Wasserkraft kaum Veränderungen, bis im 19. Jahrhundert, mit Beginn des Industriezeitalters, andere, unabhängig von jahreszeitlich bedingten Gegebenheiten und konstant zu nutzende Energieformen das Wasser- und das Windrad verdrängten.
Nördlich der Alpen soll das Wissen um die Nutzung der Wasserkraft für den Betrieb von Mühlen an Bach- und Flussläufen seit dem 10. Jahrhundert allgemein bekannt gewesen sein.
Die früheste Nachricht von einer solchen Einrichtung, hier in unserer Gegend, findet sich in einem Codex des Klosters St. Emmeram zu Regensburg, der aus der Zeit des Bischofs Richolt (1006–1028) stammt, aber auf eine Gebietsbeschreibung aus den Jahren um 800/10 zurückgehen soll, als Bischof Adalwin dem Kloster als Abt vorstand. (L 2)
In diesem Schriftstück wird der Umfang des klösterlichen Besitzes im Tal der Schwabach dargestellt und anhand von Grenzpunkten seine Ausdehnung erläutert.
Einer dieser Markierungspunkte ist eine Mühle, deren Standort, nach der Beschreibung, wohl in unmittelbarer Nähe des heutigen Ortes Leuzdorf angenommen werden darf und die von einem Dragomuzil, dem Namen nach, von einem slawischen Siedler, betrieben wurde. (Es ist dies die einzige Namensnennung eines Bewohners im beschriebenen Gebiet.)
Unter den weiteren Grenzmarkierungen ist ein Bach aufgeführt „an dem Buchen stehen“. Der Ort, der von dieser Bachbezeichnung seinen Namen erhielt, nämlich Buchschwabach, ist allerdings, wie auch andere Ansiedlungen, in dieser Beschreibung nicht genannt.
So gilt bis heute als die erste urkundliche Nennung des Dorfes Buchschwabach die Aufzählung im Reichslehensbuch der Herren von Berg aus dem Jahre 1396. (L 3a)
Die hier beschriebene Mühle wird auch in der letztgenannten Besitzbeschreibung noch nicht erwähnt; von ihrer Existenz hören wir erst mehr als hundert Jahre später.
Mühlen wurden meist außerhalb einer Ortschaft errichtet. Dies sicher nicht nur des lärmenden Räderwerkes wegen, sondern hauptsächlich deshalb, weil häufig bauliche Vorkehrungen für die Wasserzuführung zum Treibrad erforderlich waren.
Das brachte aber auch mit sich, dass die Müller mit ihren Familien ein von der Dorfgemeinschaft weniger zu beobachtendes Leben führen konnten. Da die Müller zudem oft zu den Wohlhabendsten am Ort zählten, wurde er von den Bauern nicht selten mit einem gewissen Argwohn betrachtet.
Das nicht immer ungetrübte Verhältnis zwischen Müller und Bauer mag wohl auch dadurch entstanden sein, dass der Bauer, dem bei schwerer körperlicher Arbeit nur die tierische Zugkraft zur Verfügung stand, abhängig war von der Arbeit des Müllers, der bereits eine „mechanische Anlage“, eine Maschine beherrschte.
(In einem Sprichwort aus dieser Zeit kommt dies zum Ausdruck: „Der Müller ist ein adlig' Kind, es arbeiten für ihn Wasser und Wind.“)
So verwundert es nicht, dass um Geschehnisse in den Mühlen und um die Person des Müllers selbst nicht immer positiv gezeichnete Erzählungen, Gedichte und Märchen entstanden.
Mühlen waren lebensnotwendige „Versorgungsbetriebe“. Das Recht auf die Nutzung der Wasserkraft sicherten sich deshalb frühzeitig die Territorialherren. Sie achteten weiter darauf, dass nur eine bestimmte Anzahl von Mühlen errichtet wurden. Dies einerseits deshalb, weil der einzelne Müller sein Auskommen haben sollte – wie hätte er sonst seine Abgaben entrichten können – andererseits sollten ausreichend Mühlen bestehen, damit auch in niederschlagsarmen Jahren bei Wasserknappheit das vorhandene Getreide verarbeitet werden konnte.
(Die Einschränkungen des Mahlbetriebes in wasserarmen Jahren oder im Winter, bei Vereisung des Wasserzulaufes zum Triebwerk der Mühle, ließen den Rechtsgrundsatz entstehen: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ (L 4)
Unter der Ausnutzung der Wassermenge von selbst kleineren Bachläufen galt es im engeren Bereich des heutigen Marktes Roßtal eine Reihe von Mühlen, die teilweise noch bis vor wenigen Jahrzehnten arbeiteten.
Die wohl älteste im Reigen der Mühlen dürfte die in Neuses sein.
Die erste Nachricht von ihr aus dem Jahre 1310 besagt, dass sie an das Kloster St. Klara in Nürnberg verkauft wurde. (L 3b)
Es folgt die Kernmühle an der Bibert; sie ist im Salbuch (Güterverzeichnis) des Amtes Cadolzburg im Jahre 1414 verzeichnet (L 3c),
die Mühle in Roßtal – heute untere Bahnhofstraße/Mühlgasse – vermerkt eine Aufstellung aus dem Jahre 1532, (L 3d)
die in Weinzierlein, rechts an der Straße zwischen Roßtal und dem genannten Ort, wird in einer Aufzählung der Einkünfte von St. Laurentius, Roßtal aus dem Jahre 1584 „Bachmühle“ genannt (Q 1) und die nachstehend beschriebene Mühle in Buchschwabach.
Abhängig von der für den Antrieb des Mühlrades zur Verfügung stehenden Wassermenge, hatten die genannten Mühlen eine unterschiedliche Mahlleistung und somit sicher auch einen entsprechend unterschiedlich großen „Kundenkreis“.
Von der Mühle in Buchschwabach erhalten wir erstmals Kunde aus einer Liste, die der Lehensnehmer Caspar von Eyb im Jahre 1503 für die ihm zinspflichtigen Bauern aufgestellt hat. Während er die Namen der Bauern aufzählt, vermerkt er hinsichtlich der Mühle nur: „... kleiner Zehnt des Müllers bei dem Dorf.“ (L 5)
(Der „Kleinzehnt“ betraf die Naturalabgaben von z. B. Erbsen, Wicken, Linsen, Buchweizen, Hirse, Kraut, Rüben, Zwiebeln, Flachs, Hanf, wobei jeweils der 10. Teil des Ernteertrags abzuführen war.)
Da der Dompropst von St. Stephan in Bamberg als Lehensherr das Gebiet hier verwaltete, ist anzunehmen, dass die Einkünfte des Reichslehens Buchschwabach zur Ausstattung des im Jahre 1007 gegründeten Bistums Bamberg dienten. Alle Lehensübertragungen an nürnbergische oder später an markgräfliche Familien gingen von Bamberg aus. Die „Belehnten“ konnten das Lehen bis zum Tode des Lehensnehmers behalten, anschließend erfolgte jedoch eine Neuübertragung durch den Dompropst.
Mit dessen Einverständnis konnte ein Lehen aber auch verkauft werden, jedoch war jeder Lehensnehmer durch einen Eid gebunden, alles zu unterlassen, was dem Lehen schädlich war.
Aus dem Vorgesagten wird verständlich, dass es durch Teilungen, Verkauf und Neuübertragungen im Laufe der Jahrhunderte in Buchschwabach eine Reihe von Lehensnehmern gab. Sie unterstanden alle, soweit nach der Reformation und nach dem 30-jährigen Krieg nicht Änderungen durch die Ansbacher Markgrafen eintraten, bis zum Ende des Lehenswesens, Anfang des 19. Jahrhunderts, dem Dompropst zu Bamberg.
Da in dieser Abhandlung der Versuch unternommen wird, das zusammenzutragen, was bisher verstreut über die Mühle im Zusammenhang mit anderen geschichtlichen Schilderungen nur kurz Erwähnung fand (L 5/6), erweitert durch neue Kenntnisse aus bisher nicht bearbeiteten Quellen, sollen als Grundherren in Buchschwabach nur die Familien genannt werden, deren Lehen die Mühle mit einschloss oder die Abgaben von ihr erhielten.
Wie schon aufgezeigt, wird im Jahre 1503 Caspar von Eyb als Herr dieser Mühle genannt.
Er, Rechtsgelehrter und Pfleger in Arberg, übernahm das Lehen von dem im Jahre 1502 verstorbenen Ludwig von Eyb, der kaiserlicher Landrichter, Feldhauptmann und Diplomat war.
Die Familie von Eyb, mit ihrem Stammsitz in der Nähe von Ansbach, gehörte einem alten fränkischen Reichsrittergeschlecht an, das in der markgräflichen Landesverwaltung hohe Hof- und militärische Ämter innehatte. (L 7)
Die Mühle blieb als Teil des Lehens, wie verschiedene Übertragungen zeigen, im Besitze dieser Familie, bis um 1550 Lehensteile, die Mühle eingeschlossen, an die nürnbergische Familie Oelhafen übergingen.
Diese Familie stammte aus Zürich und kam über Nördlingen nach Nürnberg. Der erste Lehensnehmer, Sixtus Oelhafen, war kaiserlicher Hofrat.
Eine Reihe von bedeutenden Personen aus dieser Familie Oelhafen hat die Geschichte der Reichsstadt Nürnberg mitgeprägt, so auch als Rechtskonsulenten, Pfleger und Prokanzler der Universität Altdorf.
Ein Tobias Oelhafen unterschrieb, als Vertreter der Reichsstadt Nürnberg im Jahre 1648, in Münster und Osnabrück den Friedensvertrag, der den 30jährigen Krieg beendete. (L 8)
Der erstgenannte Sixtus Oelhafen kaufte im Jahre 1512, als Familienstammsitz, das Gut Schöllenbach bei Eschenau und erwarb bereits 1514 die ersten Teile des Buchschwabacher Lehens. Vorbesitzer dieses Teillehens war die nicht weniger bedeutende, in Nürnberg ansässige, Familie Schürstab.
Später konnten die Oelhafen ihren Besitz so ausweiten, dass sie über zinspflichtige Bauern in Feucht, Fürth, Gebersdorf, Geismannshof, Leichendorf, Poppenreuth, Ronhof, Wetzendorf usw. die Herrschaft hatten, die zu den Gerichtstagen des Lehensnehmers, der bei einfachen Rechtsstreitigkeiten unter seinen Zinspflichtigen entscheiden konnte, in Buchschwabach erscheinen mussten. (L 9)
Für die Mühle ist weder das Jahr ihrer Errichtung noch der Name des Bauherrn urkundlich gesichert. In der unter (L 5a) aufgeführten Chronik wird als Baujahr das Jahr 1500 und als Bauherr der Defersdorfer Grundherr Schnöd angenommen.
Das Geschlecht der Schnöd, ein Epitaph in der Kirche in Bertholdsdorf zeigt ihr Wappen, besaß bis 1564 den Ort Defersdorf und baute dort einen heute nicht mehr bestehenden befestigten Herrensitz. Die Familie verarmte und musste nach diesem genannten Jahr alle erworbenen Güter verkaufen. (L 9)
Die verwirrende Aufteilung der Lehen und die verschiedenen Zehntabhängigkeiten erschweren die klaren Zuordnungen.
So müssen, trotz der Lehensübernahme durch die Familie Oelhafen, der vorbesitzenden Familie von Eyb noch Rechte an der Mühle geblieben sein, weil der schon genannte „Kleinzehnt“ auch später noch dorthin abgeführt wird.
Noch im Jahre 1792 teilen sich innerhalb des Dorfes Buchschwabach nachstehende grundherrliche Lehensbesitzer die Zuständigkeiten:
Das Lehen der Familie von Oelhafen umfasste 9 Anwesen, die Mühle und das Wirtshaus „Rotes Roß“, früher Hausnummer 22; die Familie von Forster besaß 10 Anwesen, darunter das Wirtshaus „Gelber Löwe“, früher Hausnummer 6; der Familie Kreß von Kressenstein waren 3 Anwesen zinspflichtig und die Familie Örtel besaß 1 Anwesen, das ehemals der Familie Fetzer als Lehen übergeben war. (L 9a)
Die Besitzverhältnisse blieben fast bis zum Jahre 1848 unverändert; eine Ausnahme bildete das Fetzer'sche Anwesen, das schon vorher mehrmals den Besitzer wechselte. 1806 ging das Fürstentum Ansbach, das durch den Verzicht des letzten Markgrafen Carl Alexander bereits 1792 preußisch geworden war, an das Königreich Bayern über und der Dompropst von St. Stephan in Bamberg verlor damit im Jahre 1807 das Recht der Lehensvergabe.
Mit staatlich finanzieller Hilfe konnten die Lehensnehmer in den Jahren 1817/18 ihre ursprünglichen Lehen erwerben und der Besitz verblieb ihnen bis zum Jahre 1848. Nach diesem Jahr wurden die Bauern von den Belastungen und Abhängigkeiten der Grundherrschaft befreit und konnten, gegen Zahlung eines Bodenzinses, Eigentümer ihrer Anwesen werden.
Aus der Zeit der Oelhafen'schen Grundherrschaft sind die nachfolgenden Namen von zinspflichtigen Müllern bekannt: (L 5b)
1548 HannsWolf, 1549 Caspar Peckh, 1567 Jörg Stertzer, 1576 Bernhard Putner.
Aus den Matrikelbüchern der Pfarrei konnte die Reihe der zentpflichtigen Müller ergänzt werden (Q 2), wobei ihre Namen allerdings nur anhand von Taufeintragungen ihrer Kinder ermittelt werden konnten. Wie lange die Mühle im Besitz der jeweils Genannten war, ist deshalb nur annähernd bestimmbar:
1586/87 HansNib, 1597/1610 Simon Burckhardt, 1654/55 Niclas Breckerbaur, 1655 Hans Schmidt, 1659/70 Matthias Prebezer, 1675 Martin Leitenberger, 1676 Hans Bauer, 1680 LorenzKern, 1685/87 Conrad Ketting, 1689/96 Tobias Bloss, 1701 Peter Bloß 1731 Heinrich Bloß 1770 Martin Bloß 1802 Johann Georg Bloß 1844 Konrad Bloß
Die Mühle blieb in der Erbfolge im Besitze der Familie Bloß bis zum Jahre 1888.
Es ist eingangs schon darauf hingewiesen worden, dass das Wasserrecht, das „Mühlenregal“, vielfach ein Recht des Territorialherren war. Er konnte die ihm zinspflichtigen Bauern zwingen, dass das Getreide nur bei einer seiner Mühlen zum Mahlen kam.
Ob ähnliche Rechtsverhältnisse auch für die Buchschwabacher Mühle bestanden, ist nicht bekannt. Jedenfalls fehlen entsprechende Hinweise in der Gemeindeordnung von 1575.
Die von einem Georg Ludwig von Eyb und einem Hans Oelhafen verfaßte Ordnung nennt die Mühle nicht und auch keine sonstigen einschränkenden Maßnahmen, wie Mahlzwang oder das Verbot einer anderweitigen Wassernutzung zum Schaden der Mühle.
Dies ist einigermaßen erstaunlich, da doch genannter Hans Oelhafen im Besitze der Mühle war und entsprechende Forderungen hätte stellen können.
Nur ein Punkt der 28 Positionen umfassenden Gemeindeordnung nennt den Mühlbach. Es wurde festgelegt, dass dieser jährlich gereinigt werden muss und jegliche Verschmutzung mit einer Geldstrafe geahndet werden konnte. (L 5c)
Ob es wegen der Sicherstellung der Wassermenge für die Mühle noch besondere Vorschriften und Hinweise gab, ist nicht bekannt, was aber angenommen werden darf, da in niederschlagsarmen Jahren die Bauern ebenfalls an der Wassernutzung interessiert waren, um angrenzende Wiesen und Weideflächen zu bewässern.
Die für diese Zwecke entnommene Wassermenge hätte ja dann für das Triebwerk der Mühle gefehlt.
(Wieweit eine nachstehend genannte Regelung in Buchschwabach zurückreicht, konnte nicht ermittelt werden. Jedenfalls ist das jährliche „Boochputzn“, also das Reinigen des Baches, älteren Buchschwabachern noch in der Erinnerung. Die Bauern, die sich an der Säuberung des Bachlaufes beteiligten, erhielten nach altem Herkommen am Abend, nach getaner Arbeit, ein Essen in der Mühle und gleichzeitig das Recht, nach Absprachen untereinander und mit dem Müller, im Sommer Wasser aus dem Mühlbach zum Wässern ihrer Wiesen zu entnehmen.)
Allgemein vermerkt waren Meinungsverschiedenheiten in wasserrechtlichen Fragen zwischen den Müllern und den Bauern und daraus erwachsene Rechtsstreitigkeiten nicht selten und wie nachstehende Begebenheit zeigt, waren die Bauern oft schon untereinander zerstritten, wenn es um die Wassernutzung für ihre am Bach angrenzenden Wiesen ging.
Mit einem solchen Streitfall, an dem einige Bauern aus Neuses beteiligt waren, mussten sich die Nürnberger Gerichte in den Jahren 1396 bis 1412 beschäftigen. Der Streit konnte nicht gütlich beigelegt werden, im Gegenteil, er endigte mit dem Totschlag eines der drei Kontrahenten.
Von dieser Tat kündigt heute noch das mächtige Sühnekreuz an der Straße von Neuses nach Buttendorf. (L 10)
Die Bedeutung einer Mühle für die Versorgung der Bevölkerung, dies ganz besonders in Notzeiten, zeigt die Maßnahme des Roßtaler Richters Michael Friedrich Kiser (1628–1640). Sein hartes Eingreifen traf den Müller der Roßtaler Mühle, der markgräflicher Untertan war. (L 11)
Im Unglücksjahr 1632 zählte man am Jahresende mehr als 600 Tote in der Pfarrei Roßtal, als Folge der kriegerischen Auseinandersetzung, die in der Schlacht um die „Alte Veste“ in Zirndorf ihren Höhepunkt hatte. Nur wenige Einwohner blieben am Ort und in den umliegenden Ortschaften zurück. Viele suchten Schutz in der Reichsstadt Nürnberg, in St. Leonhardt oder in den umgebenden Wäldern vor der plündernden und mordenden Soldateska der beiden Kriegsparteien.
Der hier auf seiner Mühle ausharrende Roßtaler Müller Leonhardt Lößlein wurde von den Soldaten schwer misshandelt. Er kam zwar mit dem Leben davon war aber gesundheitlich so beeinträchtigt, dass er seinem Sohn Johann im Jahre 1633 die Mühle übergeben musste.
Doch wo der Bauer in dieser schweren Zeit nicht säen und ernten konnte, gab es auch für den Müller keine Arbeit und so verließ dieser, nachdem er die Mahlsteine veräußert hatte, ein Jahr später die Mühle und suchte anderswo sein Auskommen.
Ihm wurde, als er wenige Jahre später zurückkam „ein böses und feiges Verlassen sowie die Unbrauchbarmachung der Mühle“ vorgeworfen.
Es kam noch schlimmer: In den Jahren der Abwesenheit des Müllers hatte sich der Roßtaler Richter über die Erbansprüche des abwesenden Müllersohnes hinweggesetzt, vielleicht nahm er auch an, dass der Müllersohn in den Kriegswirren umgekommen sei. Da der Richter als Vertreter der Obrigkeit sich um die Versorgung der verbliebenen Einwohner kümmern musste, übergab er kurzerhand die Mühle einem anderen.
In einem bewegenden Brief an den Markgrafen im Jahre 1642 schilderte der um das Erbe gebrachte Johann Lößlein alle Umstände seines Tuns, um sein Eigentum zurückzuerhalten.
(Wie aus einem Verzeichnis der Anwesen von 1644 hervorgeht, konnte der Müllersohn um 120 Gulden das Anwesen 1643 zurückkaufen, aber mit der Auflage, die Mühle wieder betriebsbereit zu machen.)
Was in dem schrecklichen Jahr 1632 und den noch lange unruhigen Jahren danach mit der Buchschwabacher Mühle geschah, ist nicht bekannt; auch über das Schicksal des Müllers und das seiner Familie ist nichts vermerkt.
Im Matrikelbuch der Pfarrei St. Laurentius Roßtal fehlen jedoch nicht nur die betreffenden Eintragungen über die Familie des Müllers; viele Todesfälle blieben damals unbekannt.
Dies blieb noch lange Jahre nach 1632 so, wie Pfarrer Paulus Christian Spiegel (1640–1642) im Jahre 1641 ins Sterbebuch einträgt:
„Viel meiner Pfarrkinder sind hier in Nürnberg in der Flucht gestorben und zu St. Leonhardt draußen begraben worden, aber keiner so redlich gewesen der zu mir gekommen und es angezeigt, so auch mein faul schlingelhafter Richter Gottfried Förster (damals Richter in Roßtal) niemalen dazu bringen können, dass er sie mir hier in Nürnberg in mein logement geschaffet aufzuschreiben.“ (Q 3)
(Der Pfarrer wohnte „wegen der unsicheren Zeiten“ im Gasthaus „Zur blauen Glocke“ am Kornmarkt in Nürnberg und versah von dort die Pfarrei Roßtal.)
Wie die meisten ländlichen Mühlen, einsam und außerhalb eines wenn auch unsicheren Schutzes bietenden Dorfes gelegen, war auch die Buchschwabacher Mühle der Gefahr, Opfer umherstreifender Soldaten oder Räuberbanden zu werden besonders ausgesetzt.
In Buchschwabach mit seinen wenigen Einwohnern überlebten 66 Personen das schon genannte Jahr 1632 nicht und durch das Kriegsgeschehen fielen fast alle Anwesen in Schutt und Asche. (L 5d)
So wird wohl auch die Mühle ein ähnliches Schicksal erlitten haben, wie Brandschutt und Bodenverfärbungen, die sich bei Umbauarbeiten zeigten, bestätigten.
Der Wiederaufbau nach dem Friedensschluß von 1648 wurde von den Grundherren gefördert.
Sie waren schon aus eigenem Interesse bemüht, baldmöglich wieder „normale Zustände“ herbeizuführen und 1656 mussten die zinspflichtigen Bauern bereits wieder ihre Abgaben entrichten. (L 5e)
In den entvölkerten Dörfern, so auch in Buchschwabach, ließen sich nach dem Ende des 30-jährigen Krieges auch Menschen nieder, die aus Glaubensgründen Österreich verließen oder vertrieben wurden.
(Wie einige Namen zeigen – Breckerbaur, Prebezer, Leitenberger, Ketting – waren auch österreichische Exilanten auf der Mühle.)
Lange Jahre vergingen, bis wieder alles aufgebaut war und ein einigermaßen normales Leben geführt werden konnte.
Aus der Zeit der Romantik, in der das sich stetig drehende Mühlrad, das klappernde Mahlwerk, der rauschende Mühlbach, die schöne Müllerin und der wandernde Müllerbursche besungen wurden, sind uns keine Geschichten aus der Buchschwabacher Mühle überliefert. Auch über Rechtsstreitigkeiten ist nichts bekannt, wenngleich man weiß, dass allgemein das Verhältnis der Müller zu den Bauern oft nicht immer das beste war, wie schon eingangs erwähnt. Letztere fühlten sich oft übervorteilt, so dass aus diesem Grund schon die Mühlordnung des fränkischen Reichskreises aus dem Jahre 1572 vorsah, dass das Getreide in Anwesenheit eines Dienstboten des Kunden gemahlen werden solle. (L 4)
Erst im Jahre 1861 ist die Mühle Gegenstand eines amtlichen Berichts. (Q 4)
Aus dem vorliegenden Schreiben des Landgerichts Cadolzburg ist allerdings nicht zu ersehen, ob das eingeleitete Verfahren auf die Auswirkungen eines Gesetzes aus dem Jahre 1852 zurückzuführen ist oder ob wasserrechtliche Meinungsverschiedenheiten den Anlass dazu gaben.(Das genannte Gesetz verpflichtete die Besitzer von Mühlen u. a. dazu, „dass keine nutzbare Verschwendung des Wassers zum Nachteile anderer Beteiligten stattfinde“. (L 4a)
So geschah es, dass zu Beginn des Jahres 1861 der damalige Müller Konrad Bloß eine Vorladung beim Landgericht Cadolzburg erhielt und seine Aussage über den Mühlenbetrieb dort protokolliert wurde. Er schilderte, dass das Wasser für den Betrieb seiner Anlage aus den Quellen und Bächen käme, die im Trettendorfer Gründlein und in Buchschwabach entspringen und dass das Wasser sich in einem Weiher sammelt, der eine bestimmte Aufstauhöhe möglich macht.
Er erklärte weiter, dass der Weiher und die angrenzenden Wiesen sein Eigentum seien und dass es unterhalb der Mühle einen Pfahl gebe, der die Höhe des Aufstaus anzeige.
Nach einer landgerichtlichen Verfügung wurden nun die mit ihren Grundstücken angrenzenden Bauern oberhalb sowie unterhalb der Mühle zu einem Termin geladen und es sollte die Frage geklärt werden, ob auch vor dem Mühlrad ein Eichpfahl gesetzt werden solle, um damit die Wassermenge und Betriebskraft der Mühle bestimmen und festlegen zu können.
Wie weit der Umgriff bei dieser wasserrechtlichen Frage ging, ist daraus zu ersehen, dass der Termin der Vorladung nicht nur in Buchschwabach, sondern auch in Raitersaich, Clarsbach, Trettendorf, Defersdorf, Leitelshof, Weiler, Rohr, Regelsbach und Müncherlbach bekanntgegeben wurde.
Für die Klärung der technischen Belange bestimmte das Landgericht einen Fachmann. Am 15. April l861 war die Versammlung im Birnbaum'schen Gasthaus zu Buchschwabach angesetzt; Geladene, die nicht erschienen, verloren ihr Einspruchsrecht.
Das technische Gutachten brachte das Ergebnis, dass die Setzung eines Eichpfahles vor dem Triebwerk nicht notwendig sei und durch den geringen Wasserstand des Baches die Interessen Dritter nicht berührt werden.
Mit dem vorgenannten Müllermeister Konrad Bloß begann ein neuer Abschnitt in der Familientradition der Buchschwabacher Müller.
Konrad Bloß hatte keine männlichen Nachkommen. Seine Tochter verehelichte sich mit dem Müller Georg Michael Kreß, der aus der Erlachsmühle bei Emskirchen stammte und der im Jahre 1888 die Buchschwabacher Mühle übernahm. Das Ehepaar hatte zwei Söhne, Johann und Michael Georg. Der älteste Sohn Johann übernahm im Jahre 1912 die Mühle. Seine Ehe blieb kinderlos, sodass er im Jahre 1930 seinem Bruder Michael Georg das Anwesen verkaufte. Mit ihm endigte, 40 Jahre später, die Geschichte des Mühlenbetriebes.
Dies freilich nicht von ungefähr.
Michael Georg Kreß musste schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Schon wenige Jahre nach der Übernahme brannte l933 die Mühle, ausgelöst durch einen defekten Elektromotor, ab. (Die Wasserkraft hatte schon einige Zeit vorher ausgedient, da das Wasseraufkommen zu gering und meist nur in den Nachtstunden der Mahlbetrieb überhaupt möglich war.)
Besonders hart traf den genannten Müller aber der Verlust seines Sohnes Johann Kreß im Jahre 1961. Johann Kreß, der im Kriege einen Arm verlor, kam auf eine tragische Weise im eigenen Mühlbach ums Leben.
Schon im Jahre 1960 war der Mehlmahlbetrieb eingestellt und im Jahre 1972 wurde auch die Herstellung von Schrot zu Futterzwecken aufgegeben.
Damit fand eine Mühlentradition, die urkundlich nachweisbar von 1503 bis 1972, also 469 Jahre lang, davon 283 Jahre in der Familie Bloß-Kreß bestand, ein Ende. (Der Bayerische Bauernverband hat schon im Jahre 1955 diese familiengeschichtliche Besonderheit gewürdigt und die Familie Bloß-Kreß mit einer Urkunde geehrt.) Heute bewohnt der Sohn des im Jahre 1961 verunglückten Müllers die Mühle. Da schon von Anbeginn an die Mühle auch über landwirtschaftlich zu nutzende Flächen verfügte, beschäftigt sich Karl Martin Kreß mit der Aufzucht von schottischen Hochlandrindern und betreibt eine Obstbrennerei.
Die technische Entwicklung veränderte, beginnend im späten 19. Jahrhundert, fast überall den Mühlenbetrieb.
Dampfmaschinen, Gas- oder Elektromotoren ersetzten die unsichere Wasserkraft und führten so bald zum Ende vieler Wassermühlen.
Das eigentliche „Sterben“, hauptsächlich der kleineren Mühlenbetriebe, setzte aber vermehrt in den 50er und 60er Jahren nach dem Ende des 2. Weltkrieges ein.
Wirtschaftliche Erwägungen und Konzentrationen in der Landwirtschaft führten zu strukturellen Veränderungen auch im Mahlgewerbe, was, wie schon vermerkt, das Ende vieler mittlerer und kleinerer Mühlenbetriebe bedeutete.
So arbeitet von den eingangs genannten fünf Mühlen im Bereich der Marktgemeinde Roßtal heute nur noch die Mühle in Neuses.
(Nach einer Angabe in den „Fürther Nachrichten“ vom 21. Mai 1999 sollen im Regierungsbezirk Mittelfranken noch 21 Mühlen im Familienbesitz betrieben werden.)
Manche der alten Mühlengebäude in unserer fränkischen Landschaft, so auch das in Buchschwabach, haben die Zeiten überdauert. Der Anblick ihrer schon lange stillgelegten Wasserräder, die nun im Laufe der Jahre Moos angesetzt haben oder schon verfallen sind, stimmt nachdenklich, ja wehmütig.
Sie erinnern an eine längst vergangene Zeit, die oft idyllisch verklärt dargestellt, für den hart arbeitenden Müller sicher weniger romantisch war, wie sie uns in Erzählungen, Liedern, Märchen und Gedichten überliefert ist.
(L 1) | Dr. Albert Neuburger: „Die Technik des Altertums“ S. 97. Voigtländers Verlag, Leipzig 1919 |
(L 2) | K. Dinklage: „Die Besiedlung des Schwabacher Landes in karolingischer Zeit“, Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 6/7,1941 |
Wolfgang Wiessner: „Historisches Ortsnamenbuch von Bayern“, Stadt- und Landkreis Fürth, München 1963 | |
(L 4) | Rainer Dietlein: „Räder im Fluß“, Geschichte der Nürnberger Mühlen, S. 23/26, Verlag W. Tümmels, 1988 (L4a) ebenda, S. 29 |
(L 5-5e) | Peter Müller: „Ortschronik von Buchschwabach“, 1966 gefertigte Studienarbeit |
(L 6) | A. P. Worsch: „Kleine Chronik von Buchschwabach“, Festschrift für das 90jährige Gründungsfest der Feuerwehr 1978 |
(L 7) | Herders Konversationslexikon, 3. Auflage 1906, Freiburg i. Breisgau |
(L 8) | „Nürnberg, Geschichte einer europäischen Stadt“, S. 332 u. folg. Verlag C.H. Beck, München 1971 |
(L 9) | Christoph Haag: „Unterrichtshilfen für das Schwabach-Rother Land“, Heft 68/ 57 |
(L 9a) | ebenda |
(L 10) | Roland Kühn: „Geschichtliches über die Orte Neuses u. Stöckach mit Herbolshof u. Kernmühle“ Festschrift 100 Jahre Feuerwehr, 1993, S. 19 |
(L 11) | Hans Kreutzer/Gottlieb Schwemmer: „Tausend Jahre Roßtal“, Festschrift 1955 |
(Q 1) | Archiv der Evang.-Luth. Pfarrei St. Laurentius, Roßtal, Akte Nr. 265 |
(Q 2,3) | Matrikelbücher der genannten Pfarrei |
(Q 4) | Akte des Landrats des Kreises Fürth Nr. 169 b |
Für die familiengeschichtlichen Mitteilungen bin ich Herrn Karl Martin Kreß zu Dank verpflichtet.
Vom 23.–26. Juli 1999 feiert der Ortsteil Großweismannsdorf der Marktgemeinde Roßtal das 750-jährige Jubiläum seiner ersten urkundlichen Nennung. In einem Schreiben des Papstes Innocenz IV. aus dem Jahre 1249 wird dem Kloster Heilsbronn, das im Jahre 1132 durch den Bamberger Bischof Otto (1060-1139) gegründet wurde, Besitz in „Wizmansdorf“ bestätigt.
Es sind in den folgenden Jahrhunderten fast ausschließlich Nachrichten und Schriftstücke über den Erwerb, Verkauf oder Tausch von Gütern, die über das Reichslehen Weismannsdorf berichten, wobei bereits im Jahre 1255 auch Kleinweismannsdorf genannt wird.
Im Archiv der Pfarrei St. Laurentius in Roßtal wird in einem Zehntverzeichnis, das der letzte katholische Pfarrer Johannes Neff im Jahre 1482 begann und das, wenn auch sehr lückenhaft, nach der Reformation weitergeführt wurde, einige Male der Ort Weismannsdorf erwähnt. So findet sich die Abschrift eines Vertrages aus dem Jahre 1448, in dem festgelegt wird, dass von einem Feld „... bei einem sogenannten Trudenbaum“ jährlich ein Simra Korn (ca. 316 Liter) von dem Defersdorfer Bürgermeister nach Weismannsdorf zu liefern sei.
Weismannsdorf hatte in seiner Geschichte eine Reihe von Grundherren und noch im Jahre 1792, also bereits nach der Abdankung des letzten Markgrafen Karl Alexander und nach der Übernahme des Fürstentums Ansbach durch den König von Preußen, waren drei Höfe, fünf Güter, Schmiede, Schenkstatt und Hirtenhaus dem preußischen Kastenamt Cadolzburg abgabepflichtig, die übrigen Anwesen waren unter den nachstehend genannten Grundherren aufgeteilt:
Dem Almosenamt Nürnberg gehörte ein Hof, die Nürnberger Familie von Grundherr besaß ein Gütlein und eine Wirtschaft, der Familie von Volckamer, ebenfalls eine Nürnberger Patrizierfamilie, war ein Gut zinspflichtig, ebenso der Familie von Scheurl und auch eine Stiftung der Familie Schlüsselfelder besaß ein Gut im Ort. Aus diesem Besitz Nürnberger Bürger außerhalb der Reichsstadt ergab sich nach einem kaiserlichen „Freiheitsbrief“ das Kuriosum, dass die Ortseinwohner von Weismannsdorf, die einem Nürnberger Grundherrn unterstanden, ungeachtet dessen, daß sie im Gebiete des Ansbacher Markgrafen wohnten, Nürnberger „Hintersassen“, also Nürnberger Untertanen waren.
Aus dem „Reichssteuerregister“ von 1497 der Reichsstadt Nürnberg sind uns vier Großweismannsdorfer als Nürnberger „Hintersassen“ namentlich bekannt. Es sind dies: Hans Stoll, Jakob Schmider, Hans Schmidt und Herman Amon. Die Steuer, die von Kaiser Maximilian I. (1493–1519) anlässlich eines Reichstages in Worms im Februar 1495 unter Zustimmung der Reichsstände eingeführt wurde, sollte zur Unterhaltung des „Reichskammergerichts“ sowie eines „Reichsregiments“ und so der Erhaltung des Landfriedens dienen. Unter dem Begriff „Reichsregiment“ war die Einrichtung eines ständigen 20-köpfigen Reichstagsausschusses zu verstehen, der in Abwesenheit des Kaisers die Regierungsgewalt sichern sollte.
Das genannte Steuerregister erfasste alle Personen, älter als 15 Jahre, wobei je „Kopf“ eine Steuer von 10 1/2 Pfennigen zu zahlen war. (Dieser Betrag entsprach etwa der Hälfte des Tagelohnes eines Bauhandwerkers oder der Hälfte des Preises für ein Paar Schuhe). Die Steuer wurde auch „der gemeine Pfennig“ genannt und dem Volk in der Stadt und auf dem Lande im gesamten Reich sollte von deren Einführung von den Kanzeln „Unterricht und Warnung“ gegeben werden.
Bei der Anlegung der Steuerlisten ging der Rat der Reichsstadt sehr genau vor. Er konnte auf die in Nürnberg und im Nürnberger Besitz bestehenden „Hauptmannschaften“ zurückgreifen, einer Art militärischer Organisation, die als Folge der Hussitengefahr in den Jahren 1439, 1444 und 1446 aufgebaut wurde.
In jeder „Hauptmannschaft“ waren die Namen aller wehrfähigen Männer und ihre Grundherren aufgezeichnet. Im Falle eines „Einsatzes“ war ein zentral gelegener Sammelplatz bestimmt, der für die Nürnberger Untertanen aus Großweismannsdorf, aber auch für die aus Roßtal, Clarsbach, Oedenreuth, Wimpas, Trettendorf, Raitersaich, Buchschwabach und Defersdorf, um nur die Ortsteile der heutigen Marktgemeinde Roßtal zu nennen, der Ort Rohr war.
Nach einer von dem Kupferstecher Matthäus Merian (1593–1650) im Jahre 1648 verfassten Beschreibung Frankens gehörte „Weysmansdorf“ zur Pfarrei Regelsbach. Diese Aussage gilt, auch heute noch, nur für den Ortsteil Kleinweismannsdorf, denn bereits 1430 zählt „Waismanstorf“ zur Pfarrei St. Laurentius in Roßtal und es sind die Pfarrmatrikel dieser Pfarrei, die vermelden, dass im unheilvollen Jahr 1632 durch Kriegseinwirkungen 33 Personen in Weismannsdorf ums Leben kamen.
Wie weit durch dieses fast gegebene Auslöschen der Bevölkerung in den Dörfern die Kenntnis über das Eigentum an Grund und Boden verlorenging, ist aus einer Eintragung im schon genannten Zehntverzeichnis zu ersehen. Am 23. März 1695, also beinahe 50 Jahre nach dem Ende des 30-jährigen Krieges, gab der 72-jährige Bauer Thomas Gugel zu Protokoll, dass er einen Hof zu Defersdorf kaufte und mit einer Reihe von Defersdorfer Bauern dann die Flur abschritt. (Der Pfarrer vermerkte wohl bewusst das Alter des Bauern, denn dieser war im Jahr 1632, als so viele Opfer zu beklagen waren, immerhin schon 23 Jahre alt und kannte somit sicher noch die früheren Flurgrenzen.)
In dieser Niederschrift wird ein Waldstück in der Nähe einer Flur „Am Trudenbaum“ genannt, das sich offenbar ein Bauer bereits angeeignet hatte, zumindest aber nutzte, denn es wird in dem Bericht „von abgehauenen Birken“ gesprochen, die aber der Richter, wohl ebenso unkundig über die Zuständigkeit, nach Roßtal transportieren ließ. Es muss bei dieser Begehung recht temperamentvoll zugegangen sein, denn der Pfarrer Johann Georg Vogtherr (1674–1697 in Roßtal) schreibt ins Protokoll, dass der noch die Eigentumsverhältnisse kennende Bauer ausrief: „Hansa, Hansa, bist du so irrisch, dieses Holz gehört nach Klein- oder Großweismannsdorf, ein Lehen“.
Mit diesem Vermerk wird bestätigt, was noch viele Jahre später ein Roßtaler Pfarrer beklagte, dass auch manches Feldstück, was der Kirche gehörte, von den wenigen Überlebenden des Kriegsgeschehens in den Dörfern genutzt, verkauft und, Generationen später, in gutem Glauben vererbt wurde.
Die Lage Großweismannsdorfs längs einer Handels-, aber auch Heerstraße war sicher nicht immer von Vorteil, besonders nicht in Kriegszeiten bei durchziehenden Truppen. Allerdings war diese Straße auch eine wichtige Verbindung für die Postreiter. Der Ort, der, wie Merian 1648 schrieb: „... an der Straße zwischen Nürnberg und Hailsbronn, zwei Meil von Nürnberg“ lag, wurde von der Post benutzt, um in einer Niederlassung den Austausch der Postgüter zwischen der Markgrafschaft Ansbach und der Reichsstadt Nürnberg zu bewerkstelligen. Bis zum Jahre 1780 geschah dies im Markgräflichen Gasthaus, heute „Gasthaus zur Post“ in Großweismannsdorf.
Großweismannsdorf war über hunderte von Jahren eine eigene Gemeinde, wobei von 1818 bis 1978 auch Defersdorf eingegliedert war, bis beide Orte nach der Gemeindeneugliederung 1978 Ortsteile der Marktgemeinde Roßtal wurden.
Die kirchliche Bindung an Roßtal bestand schon seit mehr als 500 Jahren. Die Kirche „Zum Gottesfrieden“ konnte am 2. Advent des Jahres 1962 eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben werden.
Peter Fleischmann: „Das Reichssteuerregister von 1497 der Reichsstadt Nürnberg“, Gesellschaft für Familienforschung in Franken, Nürnberg 1993 |
Wolfgang Wiessner: „Historisches Ortsnamenbuch von Bayern-Mittelfranken“, Kommission für Bayerische Landesgeschichte, München 1963 |
Adolf Rohn: „Heimatbuch von Roßtal und Umgebung“, Roßtal 1928 |
Siegfried Freiherr von Scheurl: Manuskript des Festvortrags: „650 Jahre Defersdorf“, Vortrag am 4. Juni 1989 in Defersdorf |
Archiv der Pfarrei St. Laurentius, Roßtal |