Grabungen an der Laurentiuskirche

Grabungen an der Laurentiuskirche

Thomas Liebert

A.D. 2010 – Die jüngsten Grabungen an der Roßtaler Laurentiuskirche

Seit Jahrhunderten steht die dem heiligen Laurentius geweihte Kirche auf dem Rücken des Oberen Marktes, einem Bergsporn, auf dem sich bereits im 8. Jahrhundert n. Chr. eine urbs horsadal genannte Großburg erstreckte1. Noch heute befindet sich das Zentrum des Marktes Roßtal an diesem geschichtsträchtigen Ort, mit der alles überragenden Laurentiuskirche in seiner Mitte. So dominant der massige, ab 1277/85 schriftlich belegte2 Baukörper im Ortsbild erscheint, so sehr war er über die lange Zeit seines Bestehens äußeren Einflüssen wie der Witterung, aber auch Blitzschlag ausgesetzt. Im Jahr 1627 – also noch während des 30jährigen Krieges – schlug ein Blitz so heftig in die Kirche ein, dass deren Langhaus ausbrannte3. Dieses für das Bauwerk schwerwiegende Ereignis und der anschließende Wiederaufbau der Kirche veränderten die Statik des Baukörpers offenbar massiv. Schließlich wurde schon wenig später versucht dem Auseinanderdriften der nördlichen und südlichen Langhausmauer mit Hilfe der noch heute sichtbaren Sandsteinpfeiler entgegenzuwirken. Eine Maßnahme mit lediglich begrenztem Erfolg, wie aktuelle Bauschäden an der Kirche zeigen. Sie waren der Anlass für statische Untersuchungen der Langhausmauern. Mit einem kleinen Schürf an der Südseite der Kirche sollten in diesem Zusammenhang die Tragfähigkeit des Untergrundes und des Kirchenfundamentes überprüft werden.

Mauerbefunde 6-8 und 9 im Schürf 1

Abb. 1: Mauerbefunde 6-8 und 9 im Schürf 1; Aufnahme: Fa. archkonzept liebert

Im Auftrag des Staatlichen Bauamtes Erlangen-Nürnberg wurde der Schürf im Juli 2010 am westlich des Südportals an die Langhausmauer angesetzten Pfeiler angelegt und die Maßnahme archäologisch durch den Verfasser begleitet. Der nur etwa 1m x 1,5m große Bodenaufschluss reichte bis zur Unterkante des Kirchenfundamentes in rund 2 m Tiefe hinab. Der anstehende, also natürlich entstandene und von menschlichen Siedlungsspuren freie Untergrund wurde hierbei nicht erreicht. Er liegt tiefer. Darüber hinaus konnten aber – trotz der geringen räumlichen Ausdehnung des Schürfes – wertvolle, die Baugeschichte der Kirche ergänzende Informationen gewonnen werden.

Besondere Beachtung verdienen die dokumentierten Mauerbefunde (Abb. 1)4. So fällt zunächst die tiefe Gründung des Fundamentes, Befund 8, auf5. Dessen Unterkante liegt rund 2 m unter der heutigen Oberfläche. Darüber hinaus ist eine zeitliche Abfolge der Baubefunde erkennbar, die wiederum Aufschluss über das ehemalige Laufniveau gibt. Befund 8 bezeichnet hierbei das Fundament der Kirche. Es springt mit zwei Absätzen insgesamt 0,25 m vor den Sockelbereich des darüberliegenden Mauerwerks vor. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem untersten Fundamentvorsprung um das Fundament einer älteren Kirchenbauphase handelt, die zeitlich noch vor der durch Befund 7 repräsentierten Bauphase anzusetzen ist. Demzufolge wäre der unmittelbar unter Befund 7 ansetzende Fundamentvorsprung erst mit Errichtung von Befund 7 angelegt worden und der Fundamentbereich somit zweiphasig. Sicher postuliert werden kann dies wegen des geringen Grabungsausschnittes jedoch nicht.

Mauerbefunde 6-8 im Profil

Abb. 2: Mauerbefunde 6-8 im Profil; Aufnahme: Fa. archkonzept liebert

Der als Befund 7 bezeichnete Mauerwerksbereich, der bis zur heutigen Geländekante hinaufreicht, unterscheidet sich hinsichtlich der Quaderformate, ihrer Bearbeitung, Bearbeitungsqualität und Fugenbildung deutlich vom obertägig ansteigenden Mauerwerk, Befund 6. Anhand des verwendeten Mörtels ist hingegen keine Unterscheidung möglich, da die Fugen des aufgehenden Baubestandes bei der letzten Restaurierung neu verfugt wurden. Bemerkenswert an dem qualitativ sehr hochstehenden Mauerwerk des Befundes 7 ist dessen Profilierung, die mit einem Wulst abschließt (Abb. 2). Als Teil des Sockelbereiches gehört sie einer offenbar älteren Bauphase der heutigen Laurentiuskirche an. Auf diesem Sockel sitzt das Mauerwerk der heute stehenden Kirche, Befund 6, auf.

Den Mauerbefunden 6 und 7 ist der Stützpfeiler, Befund 9, vorgelagert (Abb. 1). Er ist einer der Pfeiler, die nach 1627 an das Langhaus angesetzt wurden (s. o.). Im durch die Grabung dokumentierten Bereich geht er mit dem Mauerwerk des Langhauses keine Verbindung ein, sondern verläuft im Abstand zu Befund 7. Der gut 0,5 m unter die heutige Oberfläche reichende Befund 9 ist praktisch nicht fundamentiert.

Anhaltspunkte für die Erbauungszeit des Sockelbereiches, Befund 7, erhalten wir über das Fundmaterial und Bauwerksvergleiche. So entspricht ein dem Baubefund zuweisbares Randstück eines Keramikgefäßes der Roßtaler Keramik, die nach P. Ettel im 11. und 12. Jahrhundert in Gebrauch war6.

Diesen ersten Datierungsansatz in die Zeit der Romanik stützt zudem ein Vergleich mit dem romanischen Sockelbereich der Basilika des ehemaligen Zisterzienserklosters im rheinhessischen Kloster Eberbach. Der in gleicher Weise profilierte Sockel entstand gegen Mitte des 12. Jahrhunderts7.

Romanischer Mauersockel unter der Sakristei

Abb. 3: Romanischer Mauersockel unter der Sakristei; Aufnahme: Fa. archkonzept liebert

Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus den Grabungsbefunden und weiteren Bauuntersuchungen für die Baugeschichte der Laurentiuskirche? Besonderes Gewicht kommt hierbei der Gestaltung und Qualität des profilierten Mauersockels, Befund 7, zu und nicht zuletzt der Höhe des Sockelabschlusses.

So sind gleichartig gestaltete Sockelzonen an der Kirche östlich des Schürfes zu finden. Auch im alten Heizraum unter der Sakristei ist ein Stück des romanischen Mauersockels einsehbar (Abb. 3). Dort ist er in verschiedenerlei Hinsicht beachtenswert. Am westlichen Ende des Heizraumes gelegen, offenbart sich die romanische Sockelzone hier als Nordostecke des ehemaligen romanischen Kirchenbaus. Sie zog über die Ostwand der Krypta nach Süden und bildete einen geraden Chorschluss. Die Oberkante des romanischen Sockels liegt nur 9 cm unter der des romanischen Sockels im Schürf westlich des Südportals der Laurentiuskirche. Gemessen an der Distanz von rund 27 m ist dies eine geringe Abweichung, die zeigt, dass sich der Sockelbereich horizontal um die romanische Kirche herumzog. Zugleich offenbart sich damit eine in der Romanik anders geartete Geländesituation. Während das Oberflächenniveau im Westen der Kirche ursprünglich rund 1,2 m tiefer lag, muss es auch östlich des romanischen Kirchenbaus tiefer gelegen haben als heute. Die kleinen Fenster in der Krypta-Ostwand und die auf Sicht gearbeitete, tiefreichende Sockelzone im Heizraum unter der Sakristei belegen dies. Des Weiteren befinden sich am dortigen Sockel mehrere Wetzrillen im Stein – möglicherweise durch Entzünden von Osterfeuern entstanden8 – die sich nicht unmittelbar oberhalb des romanischen Bodenniveaus befunden haben können, sondern deutlich darüber. Allein vor diesem Hintergrund wird die alte Roßtaler Sage, wonach die Krypta allmählich im Boden versunken sei, wesentlich verständlicher.

Auffallend ist des Weiteren die ausgesprochen hochwertige Bearbeitungsqualität der Sandsteinquader des romanischen Sockelbereiches, Befund 7. In exakt horizontal verlaufenden Lagen verlegt, stoßen die Quader nahezu fugenlos aneinander. Eine ebenso qualitätvolle Bearbeitung offenbaren auch die Spiegel, also die sichtbaren Seiten der Quader. Die hier vorgefundene Bearbeitungsqualität ist typisch für herausragende romanische Bauwerke. Sie setzt natürlich den Einsatz von Spezialisten voraus, den sich – vor allem vor dem Hintergrund eines Bauwerkes dieser Größe – lediglich Auftraggeber aus den höchsten Kreisen der damaligen Gesellschaft leisten konnten9.

Aus den hier vorgestellten neuen Befunden und Beobachtungen ergeben sich in Verbindung mit neuen Untersuchungen des Kirchenbaus aber noch weitere Aspekte zur Baugeschichte von Krypta und Kirche, die vom Autor in einem folgenden Beitrag ausführlicher erläutert werden.

Anmerkungen

1 Liebert, Th.: Am Anfang war das Wort…? – Das Jahr 954 und dessen Vorgeschichte. In: Markt Roßtal (Hrsg.); 1050 Jahre Roßtal (Roßtal 2004) 1–32
2 Mahr, H.: Kirche und Krypta in Roßtal. In: Düthorn, R./Kreutzer, H.; Roßtal – Vergangenheit und Gegenwart (Roßtal 1978/1979) 305
3 Mahr, H.: (Anm. 2) 317
4 Die folgenden Angaben sind dem unpublizierten Grabungsbericht des Autors von 2010, 4–6 entnommen; Anm. d. Verf.
5 Die in den Kreisen befindlichen Nummern markieren die Befunde; Anm. d. Verf.
6 Ettel, P.: Karlburg – Roßtal – Oberammerthal. Studien zum frühmittelalterlichen Burgenbau in Nordbayern. In: Frühgeschichtliche und provinzialrömische Archäologie. Materialien und Forschungen 5 (Rahden/Westfalen 2001) 24–28; 123–132.
7 Einsingbach, W./Riedel, W.: Kloster Eberbach im Rheingau (Berlin/München 2009) 31.
8 Für die Entstehung dieser Rillen, die an zahlreichen Kirchen zu finden sind, gibt es unterschiedliche, teils umstrittene Erklärungsmodelle; Anm. d. Verf.
9 Liebert, G.: Die heilige Irmingard, Erbauerin der Roßtaler Kirche. In: Markt Roßtal (Hrsg.); 1050 Jahre Roßtal (Roßtal 2004) 75–90.